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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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hingebungsvoll um die Kleidung und sonstigen persönlichen Reiseutensilien des Maestro kümmerte; einer Sekretärin, die seine Fan-Post und Korrespondenz erledigte; und seinem Impresario, einem großen Mann mit Leichenbittermiene namens Lichka, der für Verhandlungen mit Konzertagenten und für die Finanzen zuständig war und ausschließlich von Natrontabletten zu leben schien.
    An diesem Montag konsumierte Mr. Lichka ein ungewöhnlich großes Pillenquantum. Was er jetzt tun mußte, tat er sehr ungern, aber die Leute vom StB besaßen große Überredungskraft. Niemand, der seine fünf Sinne beisammen hatte, widersetzte sich offen den Männern des StB, der tschechoslowakischen Geheimpolizei und Geheimdienstorganisation, oder ließ es darauf ankommen, zwecks weiterer Gespräche in ihr Hauptquartier vorgeladen zu werden, das gefürchtete Kloster. Die Leute hatten Lichka klargemacht, daß die Aufnahme seiner Enkelin in die Universität bedeutend leichter zu erreichen sei, wenn er ihnen helfen wolle, womit sie ihm auf höfliche Weise beigebracht hatten, daß das Mädchen andernfalls nicht die geringste Chance habe, zum Studium zugelassen zu werden.
    Als sie ihm seine Schuhe zurückgaben, konnte er keine Spur einer Manipulation entdecken; er hatte sie, wie befohlen, auf dem Flug getragen und war mit ihnen durch den Flughafen Heathrow marschiert.
    Am Abend trat ein Mann an die Hotelrezeption und fragte höflich nach Mr. Lichkas Zimmernummer. Sie wurde ihm ebenso höflich genannt. Fünf Minuten später, genau zu der Zeit, die ihm angegeben worden war, klopfte jemand leise an Lichkas Tür. Ein Zettel wurde unter der Tür durchgeschoben. Er las den verabredeten Code, öffnete die Tür einen Spalt weit und reichte eine Plastiktüte hinaus, in der das Paar Schuhe steckte. Eine unsichtbare Hand nahm die Tüte, und er schloß die Tür. Als er den Zettel in die Toilette gespült hatte, atmete er auf. Es war leichter gewesen, als er angenommen hatte. Jetzt, dachte er, wollen wir uns wieder unserer Musik zuwenden.
    Noch vor Mitternacht lagen die Schuhe zusammen mit dem Gipsverband und dem Transistorradio in einer Schublade in einem stillen Winkel von Ipswich. Kurier Nummer vier hatte geliefert.
    Sir Nigel Irvine suchte Preston am Freitagnachmittag in der Wohnung in Chelsea auf. Der Mann von MI5 sah erschöpft aus, und in der ganzen Wohnung stapelten sich Akten und Computerausdrucke.
    Seit fünf Tagen arbeitete er, bisher ohne Erfolg. Er hatte mit den Leuten begonnen, die während der vergangenen vierzig Tage aus der UdSSR nach England eingereist waren. Es waren Hunderte gewesen. Delegationsmitglieder, Geschäftsleute, Journalisten, Gewerkschaftler, eine Chorgemeinschaft aus Georgien, eine Kosakentanztruppe; zehn Sportler und ihr ganzer Hofstaat und eine Gruppe von Ärzten, die zu einem Kongreß in Manchester reiste. Und das waren erst die Russen.
    Ferner waren alle möglichen heimkehrenden Touristen aus der Sowjetunion gekommen; von den Kulturkonsumenten, die zur Eremitage von Leningrad gepilgert waren, über die Schulklasse, die in Kiew gesungen hatte, bis hin zu der Friedensdelegation, die der sowjetischen Propagandamaschinerie reichlich Nahrung geliefert hatte, indem sie bei Pressekonferenzen in Moskau und Charkow ihr eigenes Land schmähten.
    Diese Liste enthielt noch nicht die Aeroflot-Crews, die im Rahmen des normalen Flugverkehrs ein- und ausreisten, so daß der Erste Offizier Romanow nicht erwähnt wurde.
    Natürlich fand sich auch kein Hinweis auf einen Dänen, der aus Paris nach Birmingham gekommen und von Manchester aus wieder abgeflogen war.
    Am Mittwoch hatte Preston begriffen, daß es zwei Möglichkeiten gab: bei den Einreisen aus der UdSSR bleiben, aber sechzig Tage zurückblättern; oder das Netz weiter auslegen und alle Einreisenden aus allen Ostblockländern erfassen. Das bedeutete Tausende und Abertausende von Überprüfungen. Er hatte beschlossen, bei der Vierzig-Tage-Frist zu bleiben, aber die Suche auf alle kommunistischen Staaten auszuweiten. Die Papierflut stieg ihm bald bis zum Gürtel. Die Zollbehörden waren ihm behilflich. Es hatte ein paar Beschlagnahmungen gegeben, aber immer nur wegen Überschreitung der Menge bei zollfreien Waren. Unter den beschlagnahmten Artikeln hatte sich nichts Rätselhaftes befunden. Bei der Einwanderungsstelle waren keine »aufgetakelten« Pässe vorgelegt worden, aber das war zu erwarten gewesen. Die ausgefallenen und phantastischen Schriftstücke, die manchmal von Reisenden aus

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