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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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aller Ruhe auf die Abfahrt.
    Es war ein Großraumwagen, und nach ein paar Minuten kam ein junger Farbiger herein, Kopfhörer aufgestülpt, einen Walkman an den Gürtel gehakt, und ließ sich drei Reihen von Winkler entfernt nieder. Sobald er saß, fing er an, im Takt der heißen Rhythmen, die ihm in die Ohren gellen mußten, mit dem Kopf zu nicken, schloß die Augen und gab sich dem Kunstgenuß hin. Einer von Burkinshaws Leuten war zur Stelle; aus seinen Kopfhörern kamen keine Reggaeklänge, sondern Harrys Instruktionen in Lautstärke fünf.
    Einer von Burkinshaws Observanten übernahm den vordersten Wagen, Harry und John Preston setzten sich in den dritten, so daß Winkler eingerahmt war, und der vierte Mann nahm in der ersten Klasse am Zugende Platz, für den Fall, daß Winkler die Fliege machte, um einen etwaigen Schatten abzuschütteln.
    Punkt neun Uhr fünfundzwanzig zischte der Intercity 125 aus dem Bahnhof St. Pancras und brauste nordwärts. Um neun Uhr dreißig hatte Simon Margery die Spur Harcourt-Smiths bis zum Speisesaal seines Clubs verfolgt und ließ ihn ans Telefon holen. Was der stellvertretende Generaldirektor von »Fünf« hörte, veranlaßte ihn, aus dem Club zu stürzen, in ein Taxi zu springen und quer durch West End bis zur Charles Street zu rasen.
    Auf seinem Schreibtisch fand er die Anweisung, die Sir Bernard Hemmings am Nachmittag geschrieben hatte. Harcourt- Smith wurde weiß vor Wut. Er war jedoch ein äußerst beherrschter Mensch, und nachdem er die Sache ein paar Minuten lang überdacht hatte, griff er zum Telefon und bat die Vermittlung höflich wie stets, ihn mit der Privatwohnung des Justitiars seiner Dienststelle zu verbinden.
    Der Justitiar amtiert häufig als Verbindungsmann zwischen dem Geheimdienst und Special Branch. Während Harcourt- Smith wartete, sah er die Abfahrtszeiten der Züge nach Sheffield nach. Der Justitiar wurde von seinem Sessel vor dem Fernsehgerät in Camberley aufgestört und meldete sich. »Special Branch muß für mich eine Festnahme durchführen«, sagte Harcourt-Smith. »Ich habe Grund, anzunehmen, daß ein illegal eingereister Mann, vermutlich ein Sowjetagent, sich der Überwachung entziehen könnte. Name Franz Winkler, angeblich österreichischer Staatsbürger. Grund der Festnahme:
    Verdacht auf Besitz eines gefälschten Passes. Er wird mit dem Zug aus London um dreiundzwanzig Uhr neunundfünfzig in Sheffield eintreffen. Ja, ich weiß, die Zeit ist knapp. Deshalb ist es so dringend. Ja, bitte wenden Sie sich an den Commander Special Branch beim Yard, er soll seine Leute in Sheffield losschicken, damit sie bei Ankunft des Zuges die Verhaftung vornehmen können.«
    In grimmiger Entschlossenheit legte er auf. Man konnte ihm John Preston als Außenführer der Observanten aufdrängen, aber die Festnahme eines Verdächtigen war Sache der Polizei und somit die seine.
    Der Zug war fast leer. Die insgesamt sechzig Reisenden hätten in zwei der sechs Waggons reichlich Platz gehabt. Barney, der Observant im vordersten Wagen, hatte nur zehn völlig unschuldige Mitpassagiere. Er saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, so daß er durch das Türglas zwischen den beiden Wagen den obersten Teil von Winklers Kopf sehen konnte.
    Im zweiten Waggon waren außer Ginger, dem jungen Farbigen mit den Kopfhörern, und seinem Schützling Winkler noch fünf Leute. Ein Dutzend Fahrgäste, dazu Preston und Burkinshaw teilten sich im dritten Wagen in sechzig Plätze. Eineinviertel Stunden lang tat Winkler gar nichts; er hatte nichts zu lesen bei sich; er starrte nur aus dem Fenster auf die dunkle Landschaft.
    Um zweiundzwanzig Uhr fünfundvierzig, kurz vor Leicester, verlangsamte der Zug seine Fahrt, und in Winkler kam Bewegung. Er nahm seine Reisetasche herunter, ging durch den Wagen zum Vorplatz und ließ das Fenster der Tür herunter, die zum Bahnsteig führte. Ginger alarmierte die anderen, die sich bereit machten, wenn nötig sofort aufzubrechen.
    Als der Zug hielt, drückte sich ein Mitreisender an Winkler vorbei.
    »Entschuldigung, ist das schon Sheffield?« fragte Winkler.
    »Nein, Leicester«, sagte der Mann und stieg aus.
    »Aha, danke«, sagte Winkler. Er stellte die Reisetasche &, blieb aber am offenen Fenster stehen und blickte während des kurzen Aufenthalts ständig den Bahnsteig auf und ab. Als der Zug wieder anfuhr, kehrte er auf seinen Platz zurück und stellte auch die Reisetasche wieder ins Netz.
    Um dreiundzwanzig Uhr zwölf, in Derby, wiederholte sich das Manöver.

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