Das vierte Protokoll
sie ans Jackett, zog den Regenmantel aus, den er als Unfallverletzter am Straßenrand getragen hatte, von wo aus er Petrofski zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte, setzte Harrys flachen Hut auf und stieg aus.
Er bog in Cherryhayes Close ein und schlenderte zu dem Anwesen gegenüber dem Haus des Sowjetagenten, das die Nummer 12 trug. Er ging zur Tür der Nummer 9, wo an einem Fenster ein Plakat der sozialdemokratischen Partei prangte, und läutete.
Eine hübsche junge Frau machte auf. Von drinnen konnte Preston die Stimme eines Mannes, dann die eines Kindes hören. Es war acht Uhr. Die Familie saß beim Frühstück. Preston lüftete den Hut.
»Guten Morgen, Madam.«
Als sie seine Rosette sah, sagte die Frau:
»Oh, tut mir leid, Sie verschwenden Ihre Zeit. Wir wählen SDP.«
»Das dachte ich mir schon, Madam. Ich habe aber eine Werbeschrift, die ich Sie bitten möchte, Ihrem Mann zu zeigen.«
Er reichte ihr seine Plastikkarte, die ihn als MI5-Mann auswies. Sie würdigte die Karte keines Blickes und seufzte nur.
»Wenn Sie unbedingt meinen. Aber das wird ganz bestimmt nichts ändern.«
Sie ließ ihn vor der Tür stehen, ging ins Haus, und Sekunden später hörte Preston eine geflüsterte Unterhaltung, die von hinten aus der Küche kam. Ein Mann erschien in der Diele, ein Jungmanager in schwarzen Hosen und weißem Hemd, mit Klubkrawatte. Er hielt Prestons Karte in der Hand und runzelte die Stirn.
»Was soll das heißen?« fragte er.
»Genau das, was es besagt, Sir. Es ist der Ausweis eines Angehörigen von MI5.«
»Kein Witz?«
»Nein, er ist völlig echt.«
»Na schön. Und was wünschen Sie?«
»Würden Sie mich bitte ins Haus lassen und die Tür schließen?«
Der junge Mann zögerte einen Augenblick, dann nickte er. Preston nahm seinen Hut ab und trat ein. Er machte die Tür hinter sich zu.
Gegenüber auf der anderen Straßenseite saß Valeri Petrofski im Wohnzimmer hinter den dichten Netzvorhängen. Er war müde, seine Muskeln schmerzten vom Fahren, und er genehmigte sich einen Whisky.
Als er durch die Vorhänge spähte, konnte er einen dieser offenbar zahllosen Wahlhelfer sehen, der mit den Leuten von Nummer 9 sprach. Bei ihm waren in den letzten zehn Tagen ebenfalls drei vorbeigekommen, und bei seiner Rückkehr heute morgen hatte er einen Haufen Parteiprospekte auf dem Türvorleger gefunden. Er beobachtete, wie der Hausherr den Mann in die Diele ließ. Noch ein Bekehrter, dachte er. Was soll's.
Preston atmete auf. Der junge Mann sah ihn mißtrauisch an. Die Frau stand an der Küchentür und ließ ihn nicht aus den Augen. Das Gesicht eines etwa dreijährigen Mädchens erschien zwischen dem Türpfosten und dem Knie der Mutter.
»Sind Sie wirklich von MI5?« fragte der Mann.
»Ja, wirklich. Wir haben weder zwei Köpfe noch grüne Ohren, wissen Sie.«
Der junge Mann lächelte zum ersten Mal.
»Nein, natürlich nicht. Es kommt nur so überraschend. Aber was liegt gegen uns vor?«
»Nichts natürlich«, lächelte Preston. »Ich kenne Sie nicht einmal. Meine Kollegen und ich haben einen Mann verfolgt, von dem wir glauben, daß er ein ausländischer Agent ist. Er wohnt im Haus gegenüber. Ich möchte gerne Ihr Telefon benutzen und Sie fragen, ob ich ein paar Männer bei Ihnen einquartieren darf, damit sie das Haus beobachten können.«
»Nummer 12?« fragte der Mann. »Jim Ross? Das ist kein Ausländer.«
»Wir glaub en schon. Darf ich telefonieren?«
»Ja, sicher, warum nicht.« Er wandte sich seiner Familie zu. »Los, alle zurück in die Küche.«
Preston rief Charles Street an und wurde mit Sir Bernard Hemmings verbunden, der noch immer in der Cork Street war. Burkinshaw hatte Cork Street bereits über Funk in Tarnsprache informiert, daß der »Kunde« zu Hause in Ipswich sei und die »Taxis« in der Nachbarschaft auf Abruf bereit stünden.
»Preston?« sagte der Generaldirektor am anderen Ende der Leitung. »John? Wo sind Sie genau?«
»In einer kleinen Sackgasse namens Cherryhayes Close in Ipswich. Wir haben Chummy geortet. Diesmal bin ich sicher, daß wir seine Basis gefunden haben.«
»Meinen Sie, daß es Zeit ist, loszuschlagen?«
»Yes, Sir, ich glaube schon. Ich befürchte nur, daß er bewaffnet ist. Sie wissen, was ich sagen will. Ich denke nicht, daß dies eine Sache für Special Branch ist oder für die Ortspolizei.«
Er sagte seinem Generaldirektor, was er wollte, legte auf und rief Sir Nigel in Sentinel House an.
»Ja, John, einverstanden«, sagte »C«,
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