Das vierte Protokoll
ausgerüstet wurde und die Grundausbildung im Nahkampf und an der leichten Waffe erhielt. Dort bewarb ich mich um die roten Tressen.«
»Was bedeuten diese >roten Tressen« fragte Preston. Viljoen blickte von seiner Schreibarbeit auf. »Damals durften nur Freiwillige außerhalb der Grenzen Südafrikas eingesetzt werden«, sagte er. »Niemand durfte dazu gezwungen werden. Diese Freiwilligen bekamen rote Tressen an ihre Uniformen.«
»Von Roberts Heights aus wurde ich zu den Witwatersrand- Schützen/De La Rey Regiment überstellt; diese beiden Einheiten waren nach den Verlusten bei Tobruk zusammengelegt worden. Wir fuhren mit der Bahn zunächst zu einem Transitlager in Hay Paddock bei Petermaritzburg und kamen zum Nachschub für die Südafrikanische Sechste Division, die auf ihren Transport nach Italien wartete. Schließlich wurden wir alle in Durban eingeschifft, fuhren auf der Duchess of Richmond durch den Suezkanal und landeten Ende Januar in Tarent.
Während des Frühjahrs rückten wir in Richtung Rom vor, und dann zog unsere Einheit Wits/De La Rey zusammen mit der Sechsten Division, die sich damals aus der 12. Südafrikanischen Motorisierten Brigade und der 11. Südafrikanischen Panzerbrigade zusammensetzte, durch Rom und weiter in Richtung Florenz. Am 13. Juli befand ich mich nördlich von Monte Benichi in den Chiantibergen mit einigen Kameraden der C-Kompanie auf Spähtrupp. Im dichtbewaldeten Gelände wurde ich nach Einbruch der Dunkelheit von den Kameraden getrennt und sah mich wenige Minuten später von deutschen Soldaten der Division Hermann Göring umringt. Ich saß in der Falle.
Ich hatte Glück, daß ich überhaupt am Leben blieb, aber ich wurde, zusammen mit weiteren alliierten Gefangenen, auf einen Lastwagen verladen und in einen >Käfig<, das heißt, ein provisorisches Lager in einem Ort namens La Tarina nördlich von Florenz gebracht. Der ranghöchste südafrikanische Unteroffizier war, wie ich mich erinnere, Feldwebelleutnant Snyman. Wir blieben nicht lange dort. Als die Alliierten Florenz erreicht hatten, wurde das Lager mitten in der Nacht evakuiert. Es herrschte Chaos. Einige Gefangene versuchten zu fliehen und wurden niedergeschossen. Sie blieben auf der Straße liegen, und die Lastwagen überrollten sie. Von den Lastwagen wurden wir in Viehwaggons umgeladen. Wir fuhren tagelang nach Norden, über die Alpen, und kamen schließlich in ein Kriegsgefangenenlager in Moosburg, sechzig Kilometer nordöstlich von München.
Auch dort blieben wir nicht lange. Schon nach vierzehn Tagen wurde ungefähr die Hälfte der Lagerinsassen zur Bahnstation geführt und wieder in Viehwaggons verfrachtet. Fast ohne Nahrung und Wasser fuhren wir sechs Tage und Nächte durch Deutschland. Es war Ende August 1944, als wir ausgeladen wurden und zu einem anderen, viel größeren Lager marschieren mußten. Es war, wie wir erfuhren, das Stalag 344 in Lamsdorf bei Breslau im damals noch deutschen Schlesien. Dieses Stalag 344 muß das übelste von allen gewesen sein. Hier vegetierten elftausend alliierte Gefangene, die sich nur durch Rot-Kreuz-Sendungen am Leben erhalten konnten.
Als Gefreiter wurde ich einer Arbeitsbrigade zugeteilt, die jeden Morgen mit dem Lastwagen in eine zwanzig Kilometer entfernte Fabrik gebracht wurde, die synthetischen Treibstoff herstellte. Jener Winter in Oberschlesien war bitterkalt. Eines Tages, kurz vor Weihnachten, hatte unser Lastwagen eine Panne. Zwei Kriegsgefangene versuchten unter Aufsicht der deutschen Wachen, den Schaden zu beheben. Einige von uns durften aussteigen und sich in der Nähe des Rückbretts aufhalten. Ein junger südafrikanischer Soldat neben mir starrte auf den nur zwanzig Meter entfernten Tannenwald, sah mich an und zog eine Augenbraue hoch. Ich werde nie wissen, warum ich es tat, aber im nächsten Moment rannten wir beide durch den hüfthohen Schnee, während unsere Kameraden die Wachen anstießen, so daß sie nicht richtig zielen konnten. Wir erreichten die Bäume und rannten ins Dickicht des Waldes.«
»Möchten Sie zum Lunch gehen?« fragte Viljoen. »Wir haben im Haus eine Kantine.«
»Könnten wir vielleicht belegte Brote und Kaffee heraufkommen lassen?« erwiderte Preston.
»Sicher. Ich rufe unten an.« Preston wandte sich wieder Jan Marais' Geschichte zu.
»Bald mußten wir feststellen, daß wir vom Regen in die Traufe gekommen waren, nur daß es keine Traufe war, sondern eine Eishölle. Die Temperatur sank nachts bis minus dreißig Grad. Wir hatten
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