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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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alte Mann saß noch immer in seinem Rollstuhl am niedrigen Couchtisch. Er bedeutete Philby, Platz zu nehmen. Der britische Verräter setzte sich verstört.
    »Wie finden Sie ihn wirklich?« fragte der Generalsekretär leise. Philby schluckte.
    »Genial, gewagt, gefährlich. Aber, wenn es funktioniert, höchst wirkungsvoll«, sagte er.
    »Er ist brillant«, murmelte der Generalsekretär. »Und er wird ausgeführt. Aber unter meiner persönlichen Leitung. Das soll kein Gemeinschaftsunternehmen werden, sondern ausschließlich mein eigenes. Und Sie werden mir dabei eng zur Seite stehen.«
    »Darf ich eine Frage stellen?« sagte Philby beherzt. »Warum ich? Ich bin Ausländer, auch wenn ich der Sowjetunion mein Leben lang gedient und ein Drittel meines Lebens hier verbracht habe. Ich bin dennoch Ausländer.«
    »Stimmt«, erwiderte der Generalsekretär, »und Sie genießen niemandes Schutz außer dem meinen. Sie könnten keine Verschwörung gegen mich anzetteln.
    Sie werden sich von Ihrer Frau und den Kindern verabschieden und den Fahrer entlassen. Dann beziehen Sie die Gästezimmer meiner Datscha in Usowo. Dort stellen Sie die Gruppe zusammen, die den Plan Aurora in Angriff nehmen soll. Alle nötigen Befugnisse werden Sie erhalten, und zwar durch mein Büro im Zentralkomitee. Sie selber werden nicht in Erscheinung treten.«
    Er drückte auf einen Summer unter der Tischplatte.
    »Während der ganzen Zeit werden Sie unter den Augen dieses Mannes arbeiten. Ich glaube, Sie kennen ihn bereits.«
    Die Tür hatte sich geöffnet, in ihrem Rahmen stand Major Pawlow mit seinem teilnahmslosen kalten Gesicht.
    »Er ist hochintelligent und außerordentlich argwöhnisch«, sagte der Generalsekretär anerkennend. »Und ich kann mich ganz auf ihn verlassen. Er ist übrigens mein Neffe.«
    Als Philby aufstand, um dem Major zu folgen, reichte ihm der Generalsekretär ein Stück Papier. Es war ein Telex aus dem Ersten Hauptdirektorat, an den Generalsekretär der KPdSU persönlich gerichtet. Philby traute seinen Augen nicht.
    »Ja«, sagte der Generalsekretär. »Es kam gestern. General Martschenko irrt, Sie werden keine zehn bis sechzehn Monate Zeit haben. Es scheint, daß Mrs. Thatcher ihren Schachzug für Juni plant. Wir müssen ihr mit dem unsrigen eine Woche zuvorkommen.«
    Philby atmete langsam aus. Im Jahr 1917 entschieden zehn Tage über den Ausgang der russischen Revolution. Englands größtem Verräter aller Zeiten blieben genau neunzig Tage zur Vorbereitung einer ähnlichen Umwälzung, der britischen Revolution.

Teil II
      

     
     
1. Kapitel
     
    Als John Preston am Vormittag des 13. auf dem Jan-Smuts- Flughafen landete, erwartete ihn bereits der Chef der dortigen Residentur, ein großer schlanker blonder Mann namens Dennis Grey. Von der Aussichtsterrasse aus beobachteten zwei Männer vom südafrikanischen NIS Prestons Ankunft, machten jedoch keine Anstalten, näher zu kommen.
    Zoll- und Paßkontrolle waren reine Formalitäten, und schon dreißig Minuten nach der Landung raste der Wagen mit den beiden Männern nordwärts auf der Straße nach Pretoria. Preston betrachtete neugierig die Landschaft des High Veld; sie hatte wenig gemein mit seiner Vorstellung von Afrika - die moderne sechsspurige Asphaltstraße lief durch eine kahle Ebene und vorbei an modernen, europäisch wirkenden Farmen und Fabriken.
    »Ich habe für Sie im Burgerspark reserviert«, sagte Grey. »Im Zentrum von Pretoria. Es hieß, Sie wollten lieber im Hotel wohnen als in der Residentur.«
    »Ja«, sagte Preston. »Vielen Dank.«
    »Wir fahren zuerst in die Van Der Walt Street zum Hotel und melden Sie an. Um elf sind wir beim Biest bestellt.«
    Diese nicht allzu liebevolle Bezeichnung war ursprünglich General Van Den Berg verliehen worden, dem Polizeigeneral und Chef des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes BOSS (Bureau of State Security). Nach dem sogenannten Muldergate- Skandal von 1979 war die unglückliche Ehe zwischen dem Nachrichtendienst und der Sicherheitspolizei Südafrikas aufgelöst worden, zur großen Erleichterung der professionellen Nachrichtenleute und der Auslandsaufklärung, deren Arbeit durch die Holzhammermethoden von BOSS sehr erschwert worden war. Der Geheime Nachrichtendienst wurde unter der Bezeichnung National Intelligence Service neu organisiert, und General Henry Pienaar war von seinem Posten als Chef des Militärischen Abwehrdienstes herübergewechselt. Er war kein Polizeigeneral, sondern Militär, und wenn er auch nicht ein Leben

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