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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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zugewiesenen Büro waren, fragte Viljoen:
    »Womit möchten Sie beginnen, Mr. Preston?«
    Preston seufzte innerlich. Alles war so viel einfacher, wenn man sich, wie in der Charles Street und der Gordon Street mit Vornamen anredete.
    »Mit der Personalakte Jan Marais, wenn ich bitten darf, Captain Viljoen.«
    Mit unverhülltem Triumph zog der Captain die Akte aus einer Schreibtischlade.
    »Wir sind die Akte selbstverständlich bereits
    durchgegangen«, sagte er. »Ich selbst habe sie vor ein paar Tagen aus dem Personalbüro des Außenministeriums geholt.«
    Er legte einen dicken Ordner mit braunem Deckel vor Preston hin.
    »Wenn es eine Hilfe für Sie ist, möchte ich zusammenfassen, was wir daraus entnehmen konnten. Marais trat im Frühjahr 1946 in den auswärtigen Dienst der Republik Südafrika in Kapstadt ein. Er gehört ihm mittlerweile seit über vierzig Jahren an und wird im Dezember pensioniert. Er hat einen tadellosen Afrikaander-Background und geriet nie auch nur in den leisesten Verdacht. Deshalb erscheint sein Verhalten in London so rätselhaft.«
    Preston nickte. Deutlicher brauchte man nicht zu werden.
    Man war hier der Ansicht, daß London sich geirrt habe. Preston schlug die Akte auf. Zu den obersten Papieren gehörte ein von Hand in englischer Sprache abgefaßtes Dokument.
    »Das«, sagte Viljoen, »ist sein handgeschriebener Lebenslauf, wie ihn alle Bewerber für den auswärtigen Dienst einreichen müssen. Damals, als die United Party unter Jan Smuts am Ruder war, benutzte man sehr viel mehr Englisch als heute. Heute würde ein solches Dokument in Afrikaans abgefaßt werden. Natürlich müssen alle Bewerber beide Sprachen fließend beherrschen.«
    »Dann fangen wir am besten mit dem Lebenslauf an«, sagte Preston. »Könnten Sie mir, während ich ihn lese, Marais' berufliche Laufbahn in kurzen Zügen skizzieren? Vor allem seine Versetzungen ins Ausland, wohin, wann und für wie lange.«
    »All right«, nickte Viljoen. »Sollte Marais umgefallen oder umgedreht worden sein, dann vermutlich irgendwo im Ausland.«
    Das »sollte« drückte gerade deutlich genug Viljoens Zweifel aus, und das Wort »Ausland« verriet, was er vom Einfluß der Fremden auf gute Afrikaander hielt. Preston begann zu lesen.
    »Ich wurde im August 1925 geboren als einziger Sohn eines Farmers im Mootseki-Tal, das zu der kleinen landwirtschaftlichen Gemeinde Duiwelskloof in Nord-Transvaal gehört. Mein Vater, Laurens Marais, war gebürtiger Afrikaander, meine Mutter Mary war britischer Abstammung. Eine solche Ehe war damals ungewöhnlich, aber ihr verdanke ich, daß ich beide Sprachen, Englisch und Afrikaans, fließend beherrsche.
    Mein Vater war beträchtlich älter als meine Mutter, eine Frau von schwacher Gesundheit. Sie starb, als ich zehn Jahre alt war, während einer jener Typhus-Epidemien, wie sie von Zeit zu Zeit in dieser Gegend wüteten. Bei meiner Geburt war meine Mutter fünfundzwanzig, mein Vater sechsundvierzig Jahre alt. Er baute hauptsächlich Kartoffeln und Tabak an, ein bißchen Weizen und hielt Hühner, Gänse, Truthähne, Rindvieh und Schafe. Sein ganzes Leben lang war er überzeugter Anhänger der United Party, und ich wurde nach Marschall Jan Smuts getauft.«
    Preston hielt inne.
    »Das alles dürfte seiner Bewerbung kaum geschadet haben«, meinte er.
    »Im Gegenteil«, sagte Viljoen, nachdem er die Stelle überflogen hatte, »damals war die United Party noch an der Macht. Die Nationale Front kam erst 1948 ans Ruder.«
    Preston las weiter.
    »Mit sieben Jahren kam ich in die Gemeindeschule von Duiwelskloof und trat mit zwölf Jahren in die Merensky Highschool über, die fünf Jahre zuvor gegründet worden war. Als 1939 der Krieg ausbrach, verfolgte mein Vater, der mit ganzem Herzen auf der Seite Englands und des Empire stand, alle Meldungen aus Europa an seinem Rundfunkgerät, wenn wir abends nach der Arbeit auf der Veranda saßen. Seit dem Tod meiner Mutter waren wir einander noch nähergekommen, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als am Krieg teilzunehmen.
    Zwei Tage nach meinem achtzehnten Geburtstag im August 1943 sagte ich meinem Vater Lebewohl, fuhr mit der Bahn nach Pietersburg und stieg dort um nach Pretoria. Mein Vater begleitete mich bis Pietersburg, und ich sah ihn zum letztenmal, als er dort auf dem Bahnsteig stand und mir nachwinkte.
    Am nächsten Tag ging ich ins Generalkommando in Pretoria, meldete mich in aller Form zum Kriegsdienst und kam ins Lager Roberts Heights, wo ich eingekleidet und

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