Das vierte Protokoll
Innersten der Labour Party vor sich ging und was damit bezweckt wurde. Auch andere hatten die Masse des nachrichtendienstlichen Rohmaterials bekommen, das er so viele Jahre hindurch geprüft hatte und das man ihm immer noch als eine Art Gunstbeweis zuleitete. Doch nur er allein war in der Lage, die einzelnen Teile zusammenzusetzen, sie in bezug zu der britischen Massenpsychologie zu bringen und daraus ein zutreffendes Bild zu formen. Wenn er der Idee, die er im Kopfe hatte, Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte, dann mußte er dieses Bild in die entsprechenden Worte umsetzen; für den Sowjetführer einen der besten Berichte ausarbeiten, die er je niedergeschrieben hatte. Er würde Erita und die Jungen über das Wochenende auf die Datscha schicken. Dann würde er allein in der Wohnung sein und mit der Arbeit anfangen. Doch zuvor noch ein letztes Besäufnis.
Jim Rawlings verbrachte die Stunde zwischen neun und zehn Uhr an diesem Abend in einem anderen, kleineren Mietwagen vor dem Fontenoy House. Er betrachtete prüfend das Lichtmuster hoch oben im Gebäude. Die Wohnung, auf die er es abgesehen hatte, war natürlich stockdunkel, doch er stellte mit Genugtuung fest, daß die Apartments darüber und darunter hell erleuchtet waren. Nach den vielen Leuten zu urteilen, die an den Fenstern auftauchten, war in jedem von ihnen eine Party im Gange.
Nachdem er den Wagen diskret in einer Seitenstraße zwei Blocks weiter geparkt hatte, schlenderte er um zehn Uhr zum Portal von Fontenoy House. Es waren an diesem Abend so viele Leute aus- und eingegangen, daß die Türflügel zwar geschlossen, aber nicht verschlossen waren. In der Eingangshalle war linker Hand die Portiersloge, genau wie Billy Rice gesagt hatte. Darin saß der Nachtportier vor seinem japanischen Fernsehgerät. Er stand auf und kam an die Türöffnung, als wolle er etwas fragen.
Rawlings, der einen Smoking angelegt hatte, trug eine Champagnerflasche mit einer roten Schleife unterm Arm. Er hob die freie Hand zu einem beschwipsten Gruß.
»Abend«, rief er und fügte hinzu, »oh, und ein gutes neues.«
Sollte der alte Portier die Absicht gehabt haben, sich nach dem Wieso und Wohin zu erkundigen, so besann er sich jetzt eines Besseren. Im Block waren mindestens sechs Partys im Gang. Die Hälfte davon schien das Haus der offenen Tür zu praktizieren. Wie sollte er da die Gästeliste überprüfen?
»Oh, äh, danke, Sir. Ein glückliches neues Jahr, Sir«, rief er, aber der smokingbekleidete Rücken war bereits den Korridor hinunter verschwunden. Der Portier ging wieder zu seinem Film zurück.
Rawlings benützte die Treppe bis zum ersten Stock, dann den Lift bis zum achten. Um fünf nach zehn stand er vor der Tür der Wohnung, die er suchte. Wie Billy berichtet hatte, gab es keinen Summer, und das Schloß war ein Chubb-Steckschloß. Darunter befand sich ein Yale-Schloß für den täglichen Gebrauch.
Das Chubb-Steckschloß verfügt über insgesamt 17000 Kombinationen und Permutationen. Es ist ein Schloß mit fünf Zuhaltungen, für einen guten »Schlüssel-Mann« kein unüberwindliches Problem, da nur die ersten zweieinhalb Zuhaltungen ermittelt werden müssen; die anderen zweieinhalb sind die gleichen, nur in umgekehrter Anordnung, so daß der Schlüssel genauso gut funktioniert, wenn er von der anderen Seite der Tür eingeführt wird.
Nach seinem Schulabgang im Alter von sechzehn hatte Rawlings zehn Jahre in der Eisenwarenhandlung seines Onkels Albert gearbeitet. Das Geschäft war ein gutes Aushängeschild für den alten Knaben, der zu seiner Zeit ein bemerkenswerter Schränker gewesen war. Der eifrige junge Rawlings lernte jedes Schloß kennen, das auf dem Markt war, und die meisten kleineren Geldschränke. Nach diesem gründlichen »Praktikum« unter Onkel Alberts fachmännischer Anleitung konnte Rawlings jedes beliebige Schloß knacken, ganz gleich um welches Fabrikat es sich handelte.
Er zog einen Ring mit zwölf Dietrichen aus der Tasche, die er alle in seiner eigenen Werkstatt hergestellt hatte. Er wählte drei aus, probierte sie nacheinander und entschied sich schließlich für den sechsten am Ring. Er führte ihn in das Chubb-Schloß ein und tastete damit nach den Druckpunkten. Dann holte er einen Satz dünner Stahlfeilen aus der Brusttasche und bearbeitete damit den Weichmetallteil des Dietrichs. Innerhalb von zehn Minuten hatte er das passende Profil für die ersten zweieinhalb Zuhaltungen zurechtgefeilt. Nach weiteren fünfzehn Minuten war das Muster
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