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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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nie dagewesene Beförderung und Auszeichnung erfahren. Dafür werde ich sorgen.
    Sollte jedoch irgend etwas nicht nach Plan gehen, sollte die Polizei oder die Armee des Landes, in das Sie geschickt werden, Ihnen auf die Spur kommen, so müssen Sie ohne Zögern Maßnahmen ergreifen, die garantieren, daß Sie unter keinen Umständen lebend gefaßt werden. Haben Sie mich verstanden, Valeri Alexeiwitsch?«
    »Jawohl, Genosse Generalsekretär.«
    »Wenn Sie lebend gefaßt würden, rigoros verhört, zu einem Geständnis gezwungen - o ja, das ist heutzutage möglich, kein noch so großer Mut kann diesen Chemikalien widerstehen -, auf einer internationalen Pressekonferenz vorgeführt, das allein würde schon verheerend sein. Aber der Schaden, den ein solches Schauspiel der Sowjetunion zufügen müßte, Ihrem Vaterland, wäre unermeßlich und nie wiedergutzumachen.«
    Major Petrofski holte tief Atem. »Ich werde nicht versagen«, sagte er. »Aber sollte es dazu kommen, so werde ich ihnen nicht lebend in die Hände fallen.«
    Der Generalsekretär drückte auf den Summer unter der Tischplatte, und die Tür ging auf. Major Pawlow stand davor.
    »Dann gehen Sie jetzt, junger Mann. Jemand, den Sie vielleicht schon einmal gesehen haben, wird Sie hier in diesem Haus informieren, worin Ihr Auftrag besteht. Danach findet anderenorts eine gründliche Instruktion statt. Wir werden uns nicht wiedersehen - bis Sie zurückkehren.«
    Als die Tür sich hinter den beiden Majoren des KGB geschlossen hatte, starrte der Generalsekretär lange in die Flammen des Holzfeuers. Wirklich ein prächtiger junger Mann, dachte er. Wirklich schade.
    Als Petrofski hinter Major Pawlow den langen Korridor zum Gästeflügel entlangschritt, war sein Herz geschwellt von Tatendrang und Stolz.
    Major Valeri Alexeiwitsch Petrofski war mit ganzer Seele Soldat und Patriot. Als profundem Kenner der englischen Sprache war ihm auch die Redewendung geläufig: »Sterben für Gott, König und Vaterland«, und er wußte, was sie bedeutete. Er hatte keinen Gott, aber der höchste Sowjetführer hatte ihm persönlich seine hohe Mission anvertraut, und während Petrofski durch den Korridor in Usowo schritt, schwor er sich, vor keiner Aufgabe zurückzuschrecken.
    Major Pawlow machte vor einer der Türen halt, klopfte und öffnete sie. Er trat beiseite, um Petrofski eintreten zu lassen. Dann schloß er hinter ihm die Tür und entfernte sich. Hinter einem mit Papieren und Landkarten bedeckten Tisch erhob sich ein weißhaariger Mann und trat auf Petrofski zu.
    »Sie sind also Major Petrofski«, sagte er lächelnd und reichte ihm die Hand.
    Petrofski wunderte sich über die stockende Redeweise. Er kannte dieses Gesicht, obwohl er dem Mann nie begegnet war. Für die Nachwuchskräfte des Ersten Hauptdirektorats galt er als einer der fünf »Stars«, als ein Mann, dem Respekt gebührte, als der personifizierte Triumph der Sowjetideologie über den Kapitalismus.
    »Jawohl, Genosse Oberst«, sagte Petrofski. Philby hatte seine Akte studiert, bis er sie auswendig konnte. Petrofski war erst sechsunddreißig und seit einem Jahrzehnt dafür ausgebildet, den Engländer zu spielen. Er war zweimal in England gewesen, um sich mit den Verhältnissen vertraut zu machen, hatte beide Male unter einer Legende gelebt, beide Male die Nähe der sowjetischen Botschaft sorgfältig gemieden und bei keinem dieser Aufenthalte irgendeinen Auftrag ausgeführt.
    Solche Reisen dienten nur dazu, die Illegalen vor ihrem eigentlichen Einsatz alles zu lehren, was ihnen eines Tages selbstverständlich sein mußte: wie man ein Bankkonto eröffnet, sich bei einem Blechschaden mit dem Fahrer des anderen Wagens einigt, die Londoner U-Bahn benutzt. Ein weiterer Zweck war, daß sie in der Umgangssprache auf dem laufenden blieben.
    Philby wußte, daß der junge Mann vor ihm nicht nur perfekt englisch sprach, sondern auch walisisch und irisch, und alle regionalen Abweichungen im Tonfall wie ein Einheimischer beherrschte. Philby selber bediente sich jetzt des Englischen.
    »Setzen Sie sich«, sagte er. »Ich will Ihnen jetzt in groben Umrissen Ihren Auftrag beschreiben. Die Einzelheiten bekommen Sie von anderer Seite. Die Zeit ist knapp, verzweifelt knapp, Sie werden sich daher alles noch schneller einprägen müssen als bisher.«
    Während sie sprachen, wurde Philby bewußt, daß nach dreißigjähriger Abwesenheit von seinem Geburtsland und obwohl er jede englische Zeitung und Zeitschrift las, deren er habhaft werden konnte,

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