Das vierte Protokoll
Bericht an.
»Lieber Gott«, sagte er dumpf, als Preston schwieg, »es war also doch Moskau. Da wird bei uns der Teufel los sein. Der Schaden ist zweifellos gewaltig. Brian, stehen beide Männer noch unter Beobachtung?«
»Ja, Sir Bernard.«
»Belassen Sie es übers Wochenende dabei. Nicht zupacken, ehe der Paragon-Ausschuß erfahren hat, was wir wissen. John, ich weiß, Sie müssen müde sein, aber können Sie bis Sonntagabend Ihren Bericht schriftlich niederlegen?«
»Ja, Sir.«
»Dann möchte ich ihn gleich Montag morgens auf meinem Schreibtisch haben. Ich werde die Ausschußmitglieder zu Hause anrufen und für Montagvormittag eine Krisensitzung einberufen.«
Als Major Valeri Petrofski in das Wohnzimmer der eleganten Datscha in Usowo geführt wurde, erfaßte ihn panische Aufregung. Noch nie war er dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion persönlich begegnet und hatte sich nicht im Traum vorgestellt, daß es je dazu kommen werde.
Er hatte drei verwirrende, ja erschreckende Tage hinter sich. Seit er von seinem Dienststellenleiter zur besonderen Verwendung abkommandiert worden war, hatte man ihn in einer Wohnung im Zentrum von Moskau eingesperrt und von zwei Männern des Neunten Direktorats, der Kremlgarde, Tag und Nacht bewachen lassen. Verständlich, daß er das Schlimmste befürchtete, obgleich er sich nicht vorstellen konnte, was er getan haben sollte.
Dann erhielt er am Sonntagabend plötzlich Befehl, seinen besten Zivilanzug anzuziehen und den Wachen zu einem unten wartenden Tschaika zu folgen; danach die Fahrt nach Usowo, auf der kein Wort gesprochen wurde. Er kannte nicht einmal die Datscha, vor der sie hielten.
Erst als Major Pawlow ihm erklärte: »Der Genosse Generalsekretär möchte Sie sprechen«, hatte er begriffen, wo er war. Seine Kehle war trocken, als er das Wohnzimmer betrat. Er versuchte, sich zu fassen, und nahm sich vor, auf jede Anschuldigung, mit der er konfrontiert werden sollte, respektvoll und wahrheitsgetreu zu antworten.
Er blieb in Habt-Acht-Stellung an der Tür stehen. Der alte Mann im Rollstuhl musterte ihn minutenlang schweigend, hob dann die Hand und bedeutete ihm, näher zu kommen. Petrofski trat vier Schritte vor und stand abermals stramm. Aber als der Sowjetführer sprach, lag kein schneidend anklagender Ton in seiner Stimme. Er sprach sehr ruhig.
»Major Petrofski, Sie sind doch keine Schneiderpuppe. Kommen Sie hierher ins Licht, wo ich Sie sehen kann. Und nehmen Sie Platz.«
Petrofski stockte der Atem. Es war für einen jungen Major unerhört, in Gegenwart des Generalsekretärs za sitzen. Er tat, wie ihm geheißen wurde, blieb aber auf der äußersten Stuhlkante sitzen, mit steifem Rücken und geschlossenen Knien.
»Haben Sie eine Ahnung, warum ich Sie kommen ließ?«
»Nein, Genosse Generalsekretär.«
»Nein, natürlich nicht. Es durfte niemand davon erfahren. Ich werde es Ihnen jetzt sagen.
Es ist ein bestimmter Auftrag auszuführen. Das Resultat ist von unermeßlicher Bedeutung für die Sowjetunion und den Sieg der Revolution. Im Fall des Gelingens wird der Nutzen für unser Land unschätzbar sein; ein Fehlschlag würde eine Katastrophe bedeuten. Ich habe Sie, Valeri Alexeiwitsch, persönlich dazu auserwählt, diesen Auftrag auszuführen.«
Petrofski schwirrte der Kopf. Seine anfängliche Furcht vor Ungnade und Verbannung schlug in fast unbezähmbare Freude um. Schon seit er, der brillante Student der Moskauer Universität, statt seine beabsichtigte Laufbahn im Außenministerium einzuschlagen, in das Erste Hauptdirektorat zu den vielversprechenden jungen Männern geholt worden war; schon seit er sich zu den Illegalen gemeldet hatte und vom zuständigen Direktorat in diese Elite aufgenommen worden war, hatte er von einem wichtigen Auftrag geträumt. Aber selbst seine kühnsten Träume hatten nicht an diese Wirklichkeit herangereicht.
Endlich wagte er, dem Generalsekretär offen in die Augen zu blicken.
»Danke, Genosse Generalsekretär.«
»Die Einzelheiten werden Sie von anderen erfahren«, fuhr der Generalsekretär fort. »Die Zeit wird knapp sein, aber Sie haben die beste Ausbildung erhalten, die wir bieten können, und für den Auftrag wird Ihnen alles Nötige zur Verfügung stehen.
Ich wollte aus einem bestimmten Grund persönlich mit Ihnen sprechen. Über eines müssen Sie sich klar sein, und ich möchte es Ihnen selber erklären. Wenn der Auftrag gelingt, und ich zweifle nicht daran, dann werden Sie hierher zurückkehren und
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