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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Überzeugung, daß sie überhaupt keine Juden waren«, sagte Preston, »wie er mir gestern abend erzählte. Bei der bar- mitzwah wird der Junge vom Rabbi eingesegnet. Aber erst, wenn der Rabbi sicher sein kann, daß der Junge wirklich Jude ist. Und zwar mütterlicherseits, das schreibt der jüdische Glaube so vor. Die Mutter muß ein Dokument vorlegen, eine sogenannte ketubah, die beweist, daß sie Jüdin ist. Ilse Brandt hatte keine ketubah. Also konnte keine bar-mitzwah stattfinden.«
    »Demnach sind sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Südafrika gekommen«, sagte General Pienaar. »Es ist verflixt lange her.«
    »Das ist noch nicht alles«, sagte Preston. »Ich kann es nicht beweisen, glaube aber, daß ich recht habe. Josef Brandt sagte die Wahrheit, als er vor vielen Jahren bei Ihrer Botschaft angab, er werde von der Gestapo bedroht. Aber nicht als Jude, sondern als militanter, aktiver deutscher Kommunist. Er wußte natürlich, daß er das nicht sagen durfte, wenn er ein Visum bekommen wollte.«
    »Weiter«, sagte der General grimmig.
    »Mit achtzehn Jahren war der Sohn völlig von den geheimen Idealen seines Vaters durchtränkt, er war überzeugter Kommunist und wollte für die Komintern, die Kommunistische Internationale, arbeiten.
    1943 traten zwei junge Männer in die südafrikanische Army ein und zogen in den Krieg; Jan Marais aus Duiwelskloof, der für Südafrika und das britische Commonwealth kämpfen wollte, und Frikki Brandt, um für seine ideologische Heimat, für die Sowjetunion, zu kämpfen.
    Sie begegneten einander weder während der Grundausbildung noch auf dem Truppentransporter, noch in Italien oder in Moosburg. Aber im Stalag 344 kamen sie zusammen. Ich weiß nicht, ob Brandt damals schon seine Fluchtpläne ausgearbeitet hatte, aber er suchte sich als Begleiter einen jungen Mann, der groß und blond war wie er. Ich glaube, daß Brandt, nicht Marais, als erster auf die Idee kam, in die Wälder zu flüchten, als der Lastwagen die Panne hatte.«
    »Aber die Sache mit der Lungenentzündung?« fragte Viljoen.
    »Es gab keine Lungenentzündung«, sagte Preston, »und die beiden fielen auch nicht in die Hände katholischer polnischer Partisanen. Vielmehr stießen sie auf kommunistische Partisanen, mit denen Brandt sich in fließendem Deutsch verständigen konnte. Auf diesem Weg kam er zur Roten Armee und weiter zum NKWD; der arglose Marais immer hinterher.
    Der Austausch fand zwischen März und August 1945 statt. Das ganze Gerede von eiskalten Zellen war kalter Kaffee. Marais dürfte nach jeder kleinsten Einzelheit aus seiner Kindheit und Schulzeit ausgequetscht worden sein, Brandt lernte das Ganze auswendig, bis er, obwohl er nur mangelhaft englisch schrieb, diesen Lebenslauf mit geschlossenen Augen abfassen konnte.
    Vermutlich ließen sie Brandt einen Intensivkurs in Englisch machen, veränderten sein Aussehen ein wenig und hängten ihm Marais' Hundemarke um. Die Verwandlung war perfekt. Der echte Jan Marais war jetzt überflüssig und wurde wahrscheinlich liquidiert.
    Sie drehten Brandt ein bißchen durch die Mangel, gaben ihm ein paar Medikamente, die ihn wirklich krank machten, und schickten ihn nach Potsdam. Er lag eine Weile in einem Krankenhaus in Bielefeld und dann noch einige Zeit in der Nähe von Glasgow. Im Winter 1945 dürften alle südafrikanischen Soldaten wieder zu Hause gewesen sein; Brandt lief kaum Gefahr, einem Regimentskameraden von Wits/De La Rey zu begegnen. Und im Dezember schiffte er sich nach Kapstadt ein, wo er im Januar 1946 landete.
    Es gab nur noch ein Problem. Er konnte nicht nach Duiwelskloof. Er hatte es auch gar nicht vor. Dann schickte jemand vom Kriegsministerium dem alten Farmer Marais ein Telegramm des Inhalts, daß sein Sohn, der als »vermißt, wahrscheinlich gefallen« gegolten hatte, doch zurückgekommen sei. Zu Brandts nicht geringem Schrecken - ich gebe zu, daß ich nur rate, aber so muß es gewesen sein -erhielt er ein Telegramm, das ihn nach Hause rief.
    Er machte sich wieder krank und legte sich ins Wynberg- Lazarett.
    Der alte Vater ließ sich nicht entmutigen. Er telegrafierte nochmals, daß er selber hinunter nach Kapstadt kommen wolle. In seiner Panik wandte Brandt sich an die Genossen der Komintern, und die nahmen sich der Sache an. Sie überfuhren den alten Mann auf einer verlassenen Landstraße im Mootsekital, täuschten einen halbdurchgeführten Radwechsel an seinem Wagen vor und arrangierten alles so, daß es nach einem Unfall mit

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