Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
laufenden zu halten.
    Um dreiundzwanzig Uhr dreiundvierzig wurde der Zentralcomputer veranlaßt, seine Starttaste auszulösen. Irgend etwas oder irgend jemand hatte Zeichen übertragen, die außerhalb des wirbelnden Kaleidoskops elektronischer Signale lagen, welche die Atmosphäre unseres Planeten vierundzwanzig Stunden am Tag erfüllen. Der Computer hatte dies bemerkt und die Spur aufgenommen. Der Obergefreite Cook hörte das Warnsignal und streckte die Hand nach dem Telefon aus. Was der Computer da aufgeschnappt hatte, war ein »Spritzer«, ein kurzer Pfeifton von nur wenigen Sekunden, der dem menschlichen Ohr nichts besagt.
    Ein »Spritzer« ist das Endprodukt einer aufwendigen Prozedur beim Senden von Geheimnachrichten. Zuerst wird die Botschaft im »Klartext« abgefaßt, und zwar so kurz wie möglich. Dann wird sie verschlüsselt, aber auch danach besteht sie immer noch aus einer Folge von Buchstaben und Zahlen. Die verschlüsselte Botschaft wird auf einem Morseapparat getastet, jedoch nicht in die Ohren einer lauschenden Welt, sondern auf ein Magnetband. Das Band wird dann auf Höchstgeschwindigkeit gebracht, so daß die Punkte und Striche, aus denen die Botschaft sich zusammensetzt, eng ineinandergeschoben werden und zu einem einzigen, nur einige Sekunden dauernden Pfeifton verschmelzen.
    Sobald der Sender einsatzbereit ist, schickt der Bediener diesen Pfeifton ab, packt sein Gerät zusammen und verdrückt sich schleunigst.
    Innerhalb von zehn Minuten hatten die Triangulationsgeräte Samstagnacht geortet, woher der Ton gekommen war. Die Computer von Menwith Hill in Yorkshire und Brawdy in Wales hatten ebenfalls den »Spritzer« aufgefangen und eine Peilung vorgenommen.
    Als die Ortspolizei an der georteten Stelle eintraf, erwies sich diese als ein Parkstreifen auf einer einsamen Straße, hoch oben in der Gegend des Derbyshire Peak. Weit und breit war niemand zu sehen.
    Die codierte Botschaft kam auf dem Dienstweg nach Cheltenham, wo man sie so langsam ablaufen lies, daß die Punkte und Striche wieder in Buchstaben umgesetzt werden konnten. Nach einer vierundzwanzigstündigen Bearbeitung durch elektronische Codeknacker war die Antwort immer noch eine große Null.
    »Ein schlafender Sender, wahrscheinlich irgendwo in den Midlands, der >aktiv< geworden ist«, berichtete der Chefanalytiker dem Generaldirektor des GCHQ. »Aber unser Mann scheint für jedes Wort einen neuen Einmalcode zu benutzen. Wenn wir nicht eine Menge mehr davon kriegen, können wir die Botschaften nicht dechiffrieren.«
    Man beschloß, den Kanal, den der Geheimsender benutzt hatte, unter scharfer Beobachtung zu halten, obwohl der Mann mit höchster Wahrscheinlichkeit für jede Sendung auf einen anderen Kanal gehen würde.
    Ein kurzes Fernschreiben über diesen Vorfall flatterte unter anderen auf die Schreibtische von Sir Bernard Hemmings und Sir Nigel Irvine.
    Die Botschaft war andernorts, vornehmlich in Moskau, empfangen worden. Der gleiche Satz von Einmalcodes, der im gottverlassenen Ipswich verwendet worden war, ermöglichte die Entschlüsselung der Botschaft, worin allen Betroffenen mitgeteilt wurde, daß der »Mann vor Ort« seine Vorbereitungen vorzeitig abgeschlossen habe und bereit sei, den ersten Kurier zu empfangen.

 
5. Kapitel
     
    Das Tauwetter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, aber noch lag verkrusteter Schnee auf den Zweigen der Birken und Föhren dort unten. Vom Panoramadoppelfenster im siebenten und obersten Stockwerk des EHD-Gebäudes in Jasjenewo aus konnte man jenseits des winterlichen Waldes die Westspitze des Sees ausmachen, an dem die ausländischen Diplomaten mit Vorliebe im Sommer Erholung suchten.
    Diesen Sonntagmorgen hätte Generalleutnant Jewgenij Sergeiwitsch Karpow lieber mit seiner Frau und den Kindern auf ihrer Datscha in Peredelkino verbracht, doch selbst wenn man es so weit gebracht hatte wie Karpow, blieben immer noch einige Dinge, um die man sich persönlich kümmern mußte. So zum Beispiel um die Ankunft des Kuriers aus Kopenhagen.
    Er sah auf die Uhr. Es war beinahe Mittag, und der Mann hatte Verspätung. Seufzend ging er vom Fenster weg und warf sich in den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch.
    Mit siebenundfünfzig hatte Karpow die oberste Sprosse der Beförderung und der Macht erreicht, die einem berufsmäßigen Nachrichtendienstler im KGB oder zumindest im EHD, im Ersten Hauptdirektorat, zugänglich war. Fedortschuk war noch höher geklettert, bis zum Posten des Vorsitzenden und dann

Weitere Kostenlose Bücher