Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Stöhnen und Ächzen auf ihren Rücken wuchtete. Sein Kopf fiel auf ihre Schulter, und sie hielt seine Arme vor der Brust fest und schleifte ihn mit sich.
Die Sonne neigte sich und ging schließlich ganz unter. Juna kämpfte sich weiter und weiter und hielt sich schließlich nur noch damit aufrecht, dass sie sich immer wieder einredete, dass die vor ihr liegenden Bäume die Letzten waren und sie gleich den kleinen Hof erreichen würden.
Irgendwann funkelten die ersten Sterne, und die Nachttiere des Waldes erwachten zu neuem Leben. Schrecklich gern hätte sie eine Rast eingelegt, aber sie wusste genau, dass sie sofort vor Erschöpfung einschlafen würde und dass Derea den Sonnenaufgang dann nicht mehr erleben würde. Hin und wieder glaubte sie, seinen Atem zu spüren, aber sie war sich dessen seit langem nicht mehr sicher. Wie ein Kornsack hing er auf ihrem Rücken und strahlte eine solche Hitze aus, dass es schon fast schmerzte. Doch zurzeit beruhigte sie sein Fieber eher, denn Tote fieberten ja wohl nicht mehr. Vielleicht kühlten sie aber auch nur nicht so schnell ab.
Sie wischte die trüben Gedanken beiseite und schleppte sich und ihn laut keuchend weiter. Ihr ganzer Körper schmerzte nahezu unerträglich, und in ihrem Kopf hatte sich längst ein dumpfes Hämmern breitgemacht. Sie ging mittlerweile so weit vornüber gebeugt, dass sie meist nur noch ihre Füße sah, aber anders konnte sie das drückende Gewicht einfach nicht mehr tragen.
Endlich meinte sie, einen kleinen Lichtschein in der Ferne zu sehen, richtete ihren Blick fest darauf aus und stolperte weiter. Doch sie kam nicht mehr weit, denn der Hauptmann glitt ihr vom Rücken, und sie brach mit einem heiseren Schrei neben ihm zusammen.
19. Kapitel
R honan und Gideon waren genau wie gestern den ganzen Tag fast ohne Pause geritten und saßen jetzt am kleinen Lagerfeuer mitten im Wald. Käuzchen riefen, und irgendwo röhrte ein Hirsch. Obwohl schon die ersten Sterne strahlten, war die Luft immer noch lau.
Gideon hatte einen Eintopf aus ihren Vorräten gekocht, saß jetzt gemütlich an einen Baum gelehnt und löffelte die schmackhafte Suppe. Sein Begleiter saß ihm gegenüber und starrte seit einiger Zeit gedankenverloren in die Flammen.
»Was ist nur los mit dir? Du bist schon die ganze Zeit so schweigsam, und jetzt isst du nicht einmal mehr etwas?«, fragte der Gelehrte.
Rhonan warf ihm einen durchdringenden Blick zu. »Ich muss zurück. Das hätte mir gleich zu denken geben müssen. Caitlin hätte sonst nie so schnell klein beigegeben. Sie hat etwas vor.«
»Du machst dir unnötig Gedanken. Was sollte sie denn vorhaben?«
»Ich weiß es doch auch nicht.« Der Prinz wirkte jetzt immer aufgeregter und fuhr sich wild mit beiden Händen durchs Gesicht. »Ich bin einfach zu dämlich. Immer und immer wieder falle ich auf sie rein. Sie macht mit mir, was sie will, und ich merke es gar nicht, oder erst, wenn es schon zu spät ist. Sie wollte mich aus dem Weg haben. Genau das wollte sie. Gideon, ich muss zurück.«
Der Verianer stellte seine Schale ab, rutschte etwas näher, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte bedächtig: »Du kannst nicht zurück. Wir müssen zu den Echsenmenschen. Wenn sie jemand dazu bringen kann, an unserer Seite zu kämpfen, dann nur du. Du bist der, der nach der Prophezeiung die Völker einen wird, du hast eine Verantwortung den Reichen gegenüber und kannst jetzt nicht kehrtmachen.«
»Habe ich vielleicht keine Verantwortung Caitlin und unserem Kind gegenüber?«
Seine Stimme war kaum zu hören, sein Blick so voller Trauer und Verzweiflung, dass Gideons Hand die Schulter unwillkürlich fester drückte. »Doch, aber auch dieser Verantwortung wirst du nur gerecht, wenn Camora besiegt wird. Du stehst zwischen ihm und dem Thron. Nur deswegen verfolgt er dich, und deswegen wird er auch nicht aufgeben, bevor einer von euch beiden stirbt. Stell dir vor, du bist es, der stirbt, dann wird dein Kind sein nächster Gegner sein. Willst du deinem Kind ein Leben zumuten, wie du es selbst führen musstest?«
Rhonan sah ihn niedergeschlagen an, schüttelte stumm den Kopf, und Gideon nickte. »Ich weiß, dass die Verantwortung schwer auf deinen Schultern lastet. Ich würde dir gern mehr helfen, aber ich kann dir nur meinen Rat und meine Freundschaft anbieten. Ich kann mir nicht denken, was Caitlin vorhaben sollte, aber was immer es auch sein mag, sie wird es schon meistern.«
Er lächelte sein Gegenüber aufmunternd an. »Gerade du
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