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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Dann fand ich eine Annonce. Ibn Saud suchte Ärzte. Ich lieh mir
Geld und fuhr nach Arabien. Mein Schiff war ein Doppelschraubendampfer. Kurz
hinter Kreta verlor es beide Schrauben auf einmal. Der Sturm warf uns ganz
woanders hin.
    Mit fürchterlicher Verspätung kam ich
bei Hofe an. Ibn Saud schimpfte aus vollem Halse. Mein Posten war schon
besetzt. Zurück konnte ich nicht, denn mein Kapital bestand aus Schulden.
Schließlich war ich so weit heruntergekommen, daß ich auf dem Bazar
Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Einmal trug ich einer Haremsdame den
Dattelkorb nach Hause, und vor der Pforte des Palastes gab sie mir ein
arabisches Pfund. ›Herrin‹, sagte ich, ›mein Lohn beträgt nicht mehr denn zwei
Schillinge, und rausgeben kann ich nicht. Doch unendlich mehr als irdischer
Lohn wäre mir die Gnade, dir ständig zu Diensten sein zu dürfen!‹ — ›Kannst du
haben‹, sagte sie auf bayrisch, denn sie war aus München-Pasing. »Komm wieder,
wenn die Sonne den Schatten jenes Turmes bis zum Tor wirft. Also um zehn. Pfüat
di!‹«
    »War die Dame wenigstens hübsch?«
    »Hübsch wie alle Münchnerinnen. Ihre
Augen waren wie türkische Halbmonde, und ihr Hals war wie der des Reihers.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Evelyn.
»Tausendundeine Nacht, Seite 420.«
    »Ja. In ihrer freien Zeit verkaufte sie
Bier und Radi auf dem Markt. Aufgewecktes Kind.«
    Ich leerte meinen Becher und atmete
tief. Ich fühlte mich sauwohl. Der Ofen summte leise, es roch nach billigem Rum
und teurem Parfüm, und mir gegenüber saß das Mädchen, von dem ich schon ein
paar Nächte geträumt hatte.
    Ich goß wieder ein, und diesmal sagte
Evelyn erst dreimal, daß sie nun nichts mehr trinken würde, bevor sie weitertrank.
    »Sie sehen also«, fuhr ich fort, »daß
bei mir noch nicht Hopfen und Malz verloren sind. Im übrigen können Sie sich
von mir gefahrlos einladen lassen.«
    »Ja ich sehe«, sagte sie. »Nicht einmal
ein Radio haben Sie.«
    »Leider nicht. Meins war ein alter
Kasten. Hab’ ihn zu Hause gelassen. Ich könnte allenfalls was singen. Tanzen
Sie gerne?«
    Sie nickte. »Hm.«
    »Dann schwäre ich hiermit...«
    »...beim Barte des Propheten...«
    »...daß ich nach Empfang des ersten
Gehaltes zu einem Radiofritzen eilen und die Anzahlung leisten werde!«
    Sie konnte wunderbar hochmütig
aussehen.
    »Phh! Wenn es überhaupt zum
Gehaltsempfang kommt. Noch sind Sie in der Probezeit. Außerdem wissen Sie gar
nicht, ob ich noch mal hierherkomme.«
    »Ich weiß überhaupt nichts von Ihnen,
Evelyn. Erzählen Sie auch mal was. Wissen Sie, was mich wundert?«
    »Noch nicht.«
    »Daß Sie noch frei herumlaufen. Mädchen
Ihres Kalibers tragen meistens schon gewichtige Eheringe an den Fingern.«
    »Meiner ist auf dem Leihhaus.«
    »So?« Ich kratzte mein Kinn. »Komisch.
Die nehmen doch sonst kein Doublé. Also das ist Schwindel. Kommt denn nicht hin
und wieder ein Mann zu Ihnen und erklärt, daß er ohne Sie nicht leben könne?«
    »Doch.«
    »Und?«
    »Ich sage, ich könnte.«
    »Aha.« Ich versuchte, mich in die Brust
zu werfen. »Waren vermutlich alles halbverhungerte Untermieter. Was Sie
brauchen, ist ein Mann mit Eigenheim. Liebe ist ‘ne Quartierfrage.«
    Ihre Augen fingen an zu funkeln. Ich
rutschte etwas weiter weg.
    »Seien Sie friedlich, Evelyn.
Verdreschen Sie mich nicht gleich am ersten Abend. Kommt noch Gelegenheit
genug.«
    »Sie sind unmöglich«, sagte sie.
    »Ich weiß. Dabei hat meine Erziehung
Tausende gekostet.«
    »Rausgeschmissenes Geld«, sagte Evelyn
mit Verachtung.
    Wenn ich noch dazu kommen wollte, mußte
ich jetzt nach Wildbolz fragen. Hoffentlich ging es nicht schief.
    »Evelyn«, sagte ich, »mir fällt etwas
ein, was ich Sie fragen wollte.«
    »Oh, das kommt mir so plötzlich.«
    »Nein, nicht das. Haben Sie einen Mann
namens Wildbolz gekannt?«
    Diesmal klappte es.
    Ihre Augen wurden groß und rund, und
Staunen zog über ihr Gesicht. Ihre Stimme blieb ruhig.
    »Wildbolz? Wie kommen Sie auf den
Namen?«
    Ich versuchte, so unbefangen wie
möglich auszusehen und lächelte.
    »Ganz einfach. Von ihm habe ich diese
niedliche Katakombe übernommen. Und auf dem Schreibtisch stand Ihr Bild. Ein
schönes Bild. Ich wünschte, ich hätte es.«
    Das Staunen verschwand. Sie fing an zu
lachen.
    »Ach, du lieber Gott — Kläuschen — nein,
wie ist das komisch!«
    »Was ist da komisch?« fragte ich.
    »Daß Sie in seiner Wohnung sitzen.«
    Haben Sie sie nicht gekannt, wollte ich
fragen. Statt dessen sagte ich:

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