Das vierte Skalpell
rauchte. Es stand ihr gut. Ihr Kleid war so konstruiert, daß
es über die Formen des Inhalts keinen Zweifel ließ. Ihr Gesicht schimmerte
durch das Halbdunkel, und ihre Beine taten das gleiche.
Der Hauch von Parfüm, der zu mir
herüberwehte, zog mir wie feurige Lava durch den Kreislauf.
»Ein ganz weibliches Mädchen ist
dasselbe wie ein ganz männlicher Mann«, begann ich meinen Vortrag. »Deswegen
kann ich Sie mit dem männlichsten aller Getränke beehren. Noch nie ist es in
eine schönere Figur geflossen.«
»Klingt ein bißchen nach Werbetext«,
sagte sie.
»Werbung ist das halbe Geschäft. Na — verdünnte
Coca oder verdünnte Zitrone? Aber erst austrinken!«
Sie tat es. »Coca bitte. Aber nicht zu
stark verdünnen.«
Ich füllte die Gefäße, lehnte mich
zurück und breitete die Arme über die Couchlehne.
»Erzählen Sie was«, sagte Evelyn.
»Da haben wir’s. Eine Frau liebt mit
dem Ohr. Man muß ihr was erzählen.«
»Der Mann auch!«
»Ich lächelte gönnerhaft. »Ganz im
Gegenteil. Seine Waffe ist das Sehrohr. Die Ohren sind der Liebe nur
hinderlich.«
»Wieso?«
»Bei Frauen soll man handeln, als wäre
man völlig taub. Ihre Reden sind nur dazu bestimmt, aufzuhalten. Hat irgendein
kluger Mann gesagt.«
»Also nicht Sie?«
»Also nicht ich.«
»Interessant. Was wissen Sie sonst noch
von Frauen?«
»Genug, um mich vor ihnen zu hüten«,
sagte ich. »Niemand kann in einem Atemzug so sachlich und so unlogisch, so
opferbereit und so egoistisch, so lieb und so kalt, so mitfühlend und so
herzlos, so brutal aufrichtig und so scheinheilig verlogen sein wie eine Frau.
Gott gab sie dem Manne, um ihn zu schwächen. Sie tut unwissend und weiß trotzdem
genau, wer das höchste Einkommen hat. Sie wirkt zerfahren und ist glasklar. Der
Mann wirkt glasklar und träumt dabei. Er ist der große Träumer auf dieser Welt,
und die Frauen tun den ganzen Tag nichts anderes, als ihn am Träumen zu
hindern. Und am Spielen. Und am Saufen.«
»Das scheint mir auch sehr nötig«,
sagte Evelyn. »Warum trinken Sie eigentlich?«
»Da träumt sich’s besser«, antwortete
ich. »Der Mann ist lieber blau, wenn er liebt, die Frau lieber nüchtern.«
»Na und?«
»Reiner Egoismus der Weiber.« Langsam
fing mir die Nase an zu glühen. »Sie rechnen nach, was sie für das Geld im
nächsten Ausverkauf alles gekriegt hätten.«
»Ach, nein. Und die Männer?«
»Wollen nur die Geliebte doppelt sehen,
das ist alles.«
Evelyn sank wieder nach hinten und
schüttelte ihren schönen Kopf.
»Wundert mich, daß Sie sich überhaupt
mit Frauen abgeben.«
»Aber nicht doch«, sagte ich. »Sie sind
zwar unnütz, aber notwendig. Zweitens ist es so nett, gegen seine Erkenntnis zu
leben. Das kann nur ein Mann. Und drittens besteht zwischen Frauen und Mädchen
ein Unterschied.«
Sie bekam neugierige Augen.
»Worin liegt er?«
»In der Taillenweite« sagte ich.
Evelyn sah mich tadelnd an.
»Sie sollten nicht so viel trinken.«
»Jawohl«, sagte ich und schenkte nach.
Während des ganzen dämlichen Geredes hatte ich mich immer mehr in sie verliebt.
Ein feiner Theoretiker war ich.
Sie nahm sich eine neue Zigarette und
schlug die Beine übereinander. Für mein Leben gern hatte ich die Seide
gestreichelt, aber ich nahm mich zusammen.
»Dem Junggesellen bleibt nichts als der
Alkohol, Gnädigste.«
Sie blies eine Wolke zu mir herüber.
»Sie werden wohl bis an Ihr seliges Ende Junggeselle bleiben müssen.«
»Aber natürlich bleibe ich«, sagte ich
fröhlich. »Allenfalls ein Hund kommt in Frage. Er kostet nur 60 Mark im Jahr,
und er kann nicht reden. Heirat verdirbt die besten Verhältnisse. Befördere
eine Geliebte zur Frau, und sie ist nicht mehr zu gebrauchen.«
Langsam kam Evelyn in Fahrt. Ich sah,
wie sie schluckte.
»Schöne Bekanntschaften müssen Sie
gehabt haben!«
»Ach«, murmelte ich, »bis auf Haar- und
Augenfarbe waren sie alle gleich. Erst zuviel Abwehr und dann zuviel
Anhänglichkeit. Wurde sie nur los, wenn ein anderer kam, der ein Auto hatte.«
Nun würde es nicht mehr lange dauern,
bis sie mir an die Brosche schwebte. Zeit zum Abbremsen.
»Trotz alledem würde ich heiraten, wenn
das richtige Mädchen käme, Evelyn«, sagte ich ernsten Tones. »Aber da ist noch
etwas. Ihnen kann ich es erzählen, denn im Gegensatz zu allen anderen Frauen
der Welt erzählen Sie nichts weiter.
In den ersten Jahren nach dem Krieg
fand ich keine Stellung. Ich suchte herum, magerte ab, und die Klamotten fielen
mir vom Leib.
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