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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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wäre ich nicht wieder hingegangen.«
    »Ich weiß. Dafür kommst du jetzt um so
öfter.«
    Evelyn lehnte den Kopf hintenüber und
schloß die Augen. Sie sagte: »Ich muß das alles erst mal verdauen.«
    Wir schwiegen und gingen jeder unseren
Gedanken nach. Nur die Schritte des Mannes auf dem Flur drangen in die Stille.
    Es war tröstlich, sie zu hören. Wir
saßen wie in einer Grabkammer, abgeschnitten von allem, was vor sich ging.
     
     
     

XIV
     
    Es dauerte lange, bis Nogees wiederkam,
und ich war froh darüber. Evelyn hatte die Zeit gebraucht, um sich zu beruhigen
und den neuen Schreck zu verwinden.
    Er kam allein und hatte einen müden Zug
im Gesicht, den ich an ihm zum erstenmal sah.
    »Fräulein Jacobs«, sagte er freundlich,
»Sie können nach Hause gehen. Mit Doktor Thomsen muß ich noch kurz reden.«
    Sie sah ängstlich von einem zum
anderen. Nogees lächelte.
    »Keine Sorge. Sie kriegen ihn wieder.«
    Wir waren leicht verlegen.
    »Kann sie oben auf mich warten?« fragte
ich.
    »Kann sie.«
    »Gute Nacht, Herr Kommissar«, sagte
Evelyn.
    »Gute Nacht.«
    »Bis nachher.« Ich ging mit ihr zur
Tür. »Nimm dir ein Taxi, wenn es zu lange dauert.«
    Wir blieben allein. Nogees begann zu
rauchen, und ich tat es ihm nach.
    Nach einigen Zügen sagte der Kommissar:
»Die Sache war so. Steimle war nochmals auf Station eins geholt und dort
ziemlich lange aufgehalten worden. Deswegen warteten Sie vergeblich. Warum er
noch mal nach oben fuhr, weiß ich nicht. Der Mörder stieg im zweiten Stock zu.
Er erstach Steimle, als er im dritten Stock aussteigen wollte. Entschluß und
Ausführung fielen in die gleiche Minute. Steimle war sofort tot. Der Mörder
fuhr mit der Leiche über den Boden und stieg nach dem Umwenden aus. Oben warf
er den blutigen Handschuh weg. Wahrscheinlich fürchtete er, unten jemandem zu
begegnen, und wollte ihn deshalb nicht bei sich behalten. Dieselben Handschuhe
muß er bei den Morden an Wildbolz und Stickhahn auch getragen haben. Nicht die
Spur eines Fingerabdruckes war an den Messern.«
    »Korrekter Chirurg«, sagte ich. »Sonst
keine Spur?«
    »Nein. Er konnte über die Treppe und
durch den Hintereingang raus, ohne daß ihn jemand sah. Dieses Haus ist wie ein
Fuchsbau.« Er zerquetschte seine Zigarette.
    »Der tote Steimle fuhr nach unten.
Fräulein Jacobs sah ihn im Keller und schrie. Und er fuhr an ihr vorbei wieder
rauf.«
    »Es ist unheimlich«, sagte ich.
    »Kann man wohl behaupten. Als er zum
zweitenmal herunterkam, sahen ihn der Pfleger und die Schwester im ersten
Stock. Auch sie hatten den Schrei von Fräulein Jacobs gehört. Die Schwester schrie
gleich weiter. Dann sahen sie ihn.«
    Nogees zeigte mir ein Stück Papier mit
der Skizze des Aufzuges.
    »Das Ganze hat drei oder vier Minuten
gedauert«, sagte er. »Dieselbe eiskalte Tour wie bei Stickhahn. Der Mörder sah
die Chance und nahm sie wahr. Möglich, daß er auf dem Weg zu Steimles Zimmer
war und der Aufzug ihm sicherer erschien. War nicht anzunehmen, daß ihn jemand
auf der Strecke zwischen drittem Stock und Boden sehen würde. Reiner Zufall
außerdem, daß Fräulein Jacobs den Toten so bald gesehen hatte. Das Haus lag
ruhig. Der Aufzug wird um zehn Uhr abgestellt. In der Zeit von acht bis zehn
wird er wenig benutzt. Er hat zwölf Kabinen — eine Chance von eins zu elf, daß
jemand ausgerechnet in Steimles Kabine geriete. Er hätte die ganze Nacht im
Aufzug stecken können.« Ich starrte auf die Zeichnung.
    »Wieder ganz in meiner Nähe«, murmelte
ich. »Es muß passiert sein, als ich vor seinem Zimmer wartete. Nicht einfach
für Sie, mich noch frei herumlaufen zu lassen, was?«
    »Nicht so schlimm«, sagte Nogees und grinste.
»Wie immer hängt alles am Motiv. Sie haben am allerwenigsten eins. Und unser
Mörder ist jemand, der hier bestens Bescheid weiß und den alle kennen. Auch das
trifft auf Sie nicht zu.«
    »Schönen Dank.«
    »Bitte, bitte.« Er strich sich über die
Stirn, und der müde Zug kam in sein Gesicht zurück. »Diese Geschichte fängt
irgendwo in der Vergangenheit an. Wenn wir den Ausgangspunkt hätten...«
    Nach einer Pause sagte ich: »Sie
glauben auch, daß alle drei Fälle zusammenhängen?«
    »Bestimmt, Auch das Skalpell, mit dem
Wildbolz ermordet wurde, stammt von hier. Der Mord an ihm war der mit dem
geringsten Risiko. Der Mörder mußte zu ihm gehen, weil er nicht mehr hier
arbeitete. Das ist der ganze Unterschied.«
    Nogees bot mir eine von seinen
Zigaretten an. Die Luft im Raum wurde immer

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