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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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eng
zusammengearbeitet wie am Operationstisch.
    Langsam richtete ich mich auf, als
müßte ich aus der Müdigkeit heraustauchen.
    Wenn sie zusammen operiert hatten?
    Kam nicht oft vor, daß ein Famulus
assistieren durfte, wenn Chef und Oberarzt operierten. Aber es kam vor. Lag nur
am Chef. Wenn ihnen irgendwas danebengegangen war?
    Immer fester nistete sich dieser
Gedanke in mein Gehirn. Eine sehr wackelige Konstruktion. Aber immerhin eine.
Man müßte doch rauskriegen...
    Bald danach schlief ich ein. Ich
brauchte auch nicht länger wach zu bleiben. Ich wußte, was ich tun würde.
    Gleich morgen.
     
    *
     
    Als ich den schweren Flügel der
Haupttür zurückstemmte und ein trat, spürte ich die unerfreuliche Atmosphäre
sofort. Die Luft war noch dicker als nach Stickhahns Tod. Das gewohnte
morgendliche Hasten und Rennen fehlte. Der Pförtner war bleich und trug
Schwarz, wie ein Totengräber.
    In der Vorhalle standen zwei Männer,
die man noch vom Stachus aus als Kriminalbeamte erkannt hätte. Sie musterten
mich wie meinen eigenen Steckbrief.
    Langsam ging ich den Flur hinunter. Der
Paternoster lief wie alle Tage. Niemand wartete davor. Vermutlich benutzten sie
jetzt lieber die Treppen. Na, ich würde es nicht tun.
    Evelyn war schon da und stand an ihrem
gewohnten Platz hinter dem Schalttisch. Ihr Make-up war etwas kräftiger als
sonst, vermutlich, um die Blässe zu verdecken. Ich stellte mich neben sie.
    »Gut geschlafen?«
    »Es ging. Du?«
    »Ebenso.«
    »Was wird nun werden?«
    »Ein neuer Chef wird anrollen. Sonst
sitzen sie mit den großen Sachen fest, und der Laden wird zu ‘ner besseren
Revierstube. Ich sehe schon die Stellenausschreibung: ›Es wollen sich nur
Herren bewerben, die auf wissenschaftlichem Gebiet überdurchschnittliche
Leistungen aufweisen können und langjährige Erfahrung und so weiter und so
weiter.‹ Infolgedessen scheide ich von vornherein aus.«
    »Ach du«, sagte sie vorwurfsvoll. »Mir
ist nicht nach Spaß zumute.«
    »Das kommt wieder. Glaube nicht, daß in
der nächsten Zeit sehr viele Leute hier erscheinen.«
    »Das kann ich ihnen nachfühlen«, sagte
sie. »Mir wäre es hier auch unheimlich. Bin gespannt, was Ruschke sagt.«
    Aber Ruschke kam nicht. Statt dessen
belieferte uns ein anderer Pfleger.
    »Ist Ruschke nicht da?« fragte ich
beiläufig.
    »Na. Der hot heit frei.«
    »Aha. Haushaltstag, was?«
    »So is.«
    Das war dumm. Ich brauchte Ruschke, um
meinen nächtlichen Vorsatz auszuführen. Sollte ich es aufschieben?
    Nein. Was ich fürs erste brauchte,
konnte mir die Oberschwester auch geben.
    Im Kasino wurde diesmal nur gegessen
und nicht geredet. Die Einzelheiten des gestrigen Abends schienen sich schon
herumgesprochen zu haben. Mancher von den Chirurgen sah so aus, als rechnete er
nach, wann die Reihe an ihn käme, wenn der Mörder zwanglos nach der Rangliste
weiterging. Fatales Gefühl.
    Bolerus kam und schnupperte an der
Suppe. Dann heftete er seine Wieselaugen auf mich.
    »Mahlzeit. Noch was rausgekommen
gestern?«
    »Nichts«, antwortete ich. »Sind Sie
noch mal verhört worden?«
    Er nickte heftig und strich sich die
Haare aus der Stirn. »Zum erstenmal in meinem Leben. Direkt aufregend. Wie in
der Schule, wenn man was ausgefressen hatte und in der Pause zum Rektor mußte.
Bin froh, daß ich es diesmal nicht war.«
    Ich warf einen schnellen Blick zu ihm.
War er’s wirklich nicht? Aß der Mörder hier seine Suppe wie wir? Jeder von
ihnen fragte sich das jetzt, dachte ich.
    Ich beeilte mich und ging, sowie ich
fertig war.,
    Der Operationssaal lag im ersten Stock.
Hinter der letzten Ecke kam ich an einem Mann vorbei, der dem im Vestibül
verzweifelt ähnlich sah. Nogees hatte Sorge um unsere Gesundheit. Nett von ihm.
    Ich drückte mich durch die gläserne
Flügeltür, und eine Welle von trockener, ätherhaltiger Luft schlug mir
entgegen. Sie schienen doch allerhand getan zu haben heute morgen. Fünf
durchgestrichene Namen standen an der Tafel. In den Waschräumen lagen Mützen,
Gesichtsmasken und Mäntel in trauter Unordnung auf dem Kachelboden, und
dazwischen glänzende Gummihandschuhe. Hier und dort stand noch ein Assistent in
Hemdsärmeln am Waschbecken.
    Eine junge Helferin mit niedlichen
Grübchen zeigte mir die Oberschwester in einer Ecke des Saales. Sie füllte
gerade einen Sterilisatoreinsatz mit glitzernden Instrumenten.
    »Schwester Rudolfina?« sagte ich hinter
ihr.
    Sie fuhr herum. »Gott, bin ich
erschrocken!«
    »Warum?« fragte ich.
    »Ich war ganz in

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