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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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schwerer.
    »Sie haben keinen Anhaltspunkt?« fragte
ich ihn geradeheraus.
    »Nein«, erwiderte er ebenso. »Ich habe
jeden, der auch nur entfernt in der Nähe war, unter die Lupe genommen. Steimle
war der Verdächtigste von allen. Stickhahns Tod nützte ihm unmittelbar: Bei
Wildbolz...«
    »Er soll viel Streit mit ihm gehabt
haben«, warf ich ein.
    »Er hatte mit allen Streit«, sagte
Nogees müde. »Und jetzt ist er tot. Wenn einer von ihnen ihn deswegen
umgebracht hat — schön. Aber Wildbolz und der Professor? Warum das?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Alle Mörder, hinter denen ich bis
jetzt hergerannt bin, hatten einen handgreiflichen Grund zu morden«, fuhr er
fort. »Aber hier — was soll es hier sein? Und wen soll ich einsperren? Sie?
Oder Melchior? Oder Evelyn?«
    »Die lieber nicht«, sagte ich.
    Die Fältchen um seine Augen kamen
wieder. »Warum nicht?«
    »Sie hat bestimmt nichts damit zu tun.«
    »Mädchen, die man gerne sieht, haben
nie etwas damit zu tun«, sagte er lächelnd. »Aber ich glaub’s Ihnen. Sieht alles
mehr nach Mann aus. Klarer Vorsatz, klare Ausführung. Drei Skalpelle, drei
Morde.«
    »Hm«, sagte ich. »Dann dürfte doch
eigentlich nichts mehr passieren.«
    »Eigentlich nicht. Weiter: Es ist
jemand, der zum Personal gehört. Ein Arzt, wahrscheinlich Chirurg. Ein Laie
setzt das Messer nie so bildschön dreimal auf die gleiche Stelle.«
    »Ja«, sagte ich. »Das lange Studium muß
sich sicherlich lohnen.«
    »Natürlich. Und nun finden Sie mal den
Richtigen aus dem Haufen raus.«
    »Was wollen Sie machen?« fragte ich.
    »Warten«, sagte er achselzuckend. »Paar
Leute postieren und warten. Und weiter in der Vergangenheit herumwühlen.
Entweder macht er noch einen Fehler, oder ich habe die rettende Erleuchtung.
Aber er braucht gar nichts mehr zu tun. Kann stillhalten und sich amüsieren.
Seine drei Skalpelle haben funktioniert.«
    Er schwieg. Er tat mir leid, aber ich
wußte nicht, wie ich ihm helfen sollte.
    »Ich wünschte, Sie hätten ihn bald«,
sagte ich schließlich.
    »Ich wünschte es auch. Die Zeitungen
fangen schon mit Leserzuschriften an. ›Warum haben wir so viele Polizisten‹ und
›Ich sterbe lieber zu Hause‹ und so.«
    Ich sah ihm ins Gesicht.
    »Warum erzählen Sie mir das alles?«
    »Weiß auch nicht«, sagte er.
»Vielleicht, weil Sie von Anfang an mit drin sind. Zweimal waren Sie nur ein
paar Schritte von dem Mörder weg, und jedem der Toten haben Sie ins Gesicht
gesehen. Wer weiß — vielleicht haben Sie den richtigen Einfall.«
    »Kommt selten vor, daß ich einen
Einfall habe«, sagte ich. »Aber es geschehen Zeichen und Wunder.«
    Nogees stand auf.
    »In der Medizin vielleicht«, sagte er.
»Im Polizeidienst nicht. Und nun bringen Sie das Mädchen nach Hause, ehe es ein
anderer tut.«
     
     
     

XV
     
    In dieser Nacht schlief ich schlecht.
    Evelyns angstvolles Gesicht, das Bild
des Mannes im Aufzug, die Worte des Kommissars, alles kreiste in meinem Schädel
durcheinander. Ich drehte mich von rechts nach links und wieder zurück,
dämmerte ein und wachte wieder auf. Ab und zu überlegte ich mir, ob ich eine
Schlaftablette nehmen sollte. Obwohl ich das Tablettenalter noch nicht erreicht
hatte. Dann unterließ ich es. Sie würde morgens im Dienst glücklich anfangen zu
wirken. Vielleicht tat es auch eine Flasche Bier.
    Ich stand auf und sah zur Uhr. Es war
halb drei. Ich holte eine Flasche aus meinem Spezialeisschrank vor dem Fenster.
Die kühle Luft wehte unter meinen Schlafanzug und vertrieb den Schlaf noch
mehr. Ich kroch wieder unter die Decke und setzte die Flasche im Liegen an den
Hals. Praktische Sache. Wer einmal liegt, der fällt nicht mehr.
    Noch heute, wenn ich mit Nogees zusammensitze,
schreiben wir die Aufklärung des Falles einzig den Eigenschaften des Münchner
Bieres zu.
    Die Idee, die zur Entdeckung des
Mörders führte und mich nahe an den Rand des Todes brachte, kam mir, als ich
die zweite Flasche in mir hatte und langsam schläfrig wurde. Die Namen der
Hauptbeteiligten verschwammen in meinem Gedächtnis.
    Wildhahn und Stickbolz. Sehr komisch.
    Steimle — Wildbolz — Stickhahn.
    Was hatten sie miteinander zu tun?
    Daß sie tot waren, jetzt. Und früher?
Sie hatten zusammen gearbeitet.
    Plötzlich fuhr ein Gedanke über meine
Grübeleien wie eine Leuchtkugel über dunkle Felder.
    Zusammengearbeitet?
    Wenn irgendeine Verbindung zwischen
ihnen bestand, dann lag sie in der gemeinsamen Arbeit.
    Und nirgends auf der Welt wird so

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