Das volle Risiko
daran, was die Blicke der Männer fesselte.
Gelegentlich kam es vor, daß ein verheirateter Mann seine Frau allein ließ, um sich zu einer Gruppe zu begeben, bei der Dolores sich gerade aufhielt. In solchen Fällen fand Dolores schnell eine passende Ausrede, um sich anderen Gästen zuzuwenden, oder sie wechselte zu der Gruppe über, in der sich die Ehefrau befand, und knüpfte mit dieser ein lebhaftes, zwangloses Gespräch an.
Natürlich wurde auch ich in Gespräche verwickelt. Man fragte mich, wie lange ich zu bleiben beabsichtige, und versuchte so, nebenbei mehr über meine Person herauszubekommen. Die Fragen waren zwar nicht allzu persönlich und indiskret, aber doch von einer gewissen Neugier bestimmt.
Die meisten Gäste waren im Alter zwischen 35 und 60 Jahren. Die Unterhaltung drehte sich hauptsächlich um das Wetter. Einige der Leute kamen aus dem mittleren Westen und sprachen über Schneestürme; andere kamen von der Küste und hatten Nebel, Smog und Regengüsse beim Wickel.
Ich hatte gerade meinen zweiten Cocktail getrunken, als der Gong zum Abendessen in den Speisesaal aufforderte.
Dolores hatte mich an einen Tisch plaziert, an dem ein Makler aus Kansas City mit seiner Frau und eine Künstlerin in den Dreißigern saßen. Das Essen war ausgezeichnet und reichhaltig. Es gab Roastbeef, geröstete Kartoffeln, Zwiebelringe, Salat, Nachtisch und Kaffee mit Kuchen.
Nach dem Essen widmeten sich die Gäste den verschiedenen Kartenspielen — Bridge, Rommé und Poker wurden bevorzugt. Das Pokern war angesichts der sehr niedrigen Einsätze eine Marathonangelegenheit, bei der jeder Spieler vor allem seine Überlegenheit zu demonstrieren suchte.
Man konnte Getränke bestellen, die auf Bons notiert und auf die Gesamtrechnung gesetzt wurden.
Die Künstlerin an meinem Tisch nahm mich den ganzen Abend über in Beschlag. Sie wollte mit mir über die Farbgebung, über Ideengut und über die Gefahren der modernen Kunst sprechen.
Sie lebte als Witwe, war reich und zufrieden mit ihrem Leben. An sich wäre sie vielleicht ein guter Köder für den erwarteten Simulanten gewesen, doch ging sie zu intellektuell an alle Probleme heran.
Filmaufnahmen von dem Mann, der an einer nicht sichtbaren Aufprallverletzung litt, wie er gerade vom Dreimeterbrett ins Schwimmbecken springt, um einem jungen Ding im enganliegenden Badeanzug zu imponieren, die würden für ein Gericht schon wertvoll sein. Aber Bilder, die diesen Mann am Rande des Schwimmbassins neben einer Dame sitzend plaudernderweise zeigten, wären nicht einen Pfifferling wert.
Ich studierte meine Tischnachbarin genauer und fand, daß Dolores mit ihrer Ansicht recht hatte, daß es im Augenblick kein weibliches Wesen hier gäbe, das sich für unsere Zwecke eignete.
Die Künstlerin hieß Faith Callison. Sie erzählte mir, sie berücksichtige bei ihrer Zeichnerei vor allem Motive, die sie mit der Kamera und mit Farbfilmen aufgenommen habe. Die Sammlung von farbigen Dias, die sie im Laufe des Sommers aufnehme, würde sie während des Winters in ihrem Studio, wo sie niemand stören und ablenken könne, in Malerei umwandeln.
„Verkaufen sich Ihre Fotos ebenso gut wie Ihre Handzeichnungen?“ fragte ich.
Sie sah mich mit plötzlich erwachtem Interesse an. „Warum fragen Sie das?“
An sich hatte ich nur in seichter Konversation gemacht, ohne mir etwas dabei zu denken. Aber irgend etwas an ihrer Reaktion veranlaßte mich, die Situation aus einer neuen Perspektive zu sehen.
„Aus dem, was Sie mir erzählt haben“, sagte ich, „muß ich schließen, daß Sie große Mengen von Filmen verbrauchen. Ich fotografiere auch sehr gern, doch sind für mich die Kosten des Materials ein Faktor, den ich berücksichtigen muß.“
Sie sah sich schnell im Raume um, lehnte sich dann etwas zu mir herüber und sagte: „Es ist doch wirklich sonderbar, Mr. Lam, daß Sie so genau den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Um ehrlich zu sein — manchmal verkaufe ich auch meine Filme.
„Nehmen wir beispielsweise den vorjährigen Urlaub. Ich hatte meine Kamera dabei und machte Aufnahmen von allerlei Leuten bei ihren Vergnügungen. Hinterher fragte ich sie, ob sie Interesse an Abzügen von den Aufnahmen hätten. Natürlich habe ich die Bilder nicht einfach verhökert. Ich zog es so auf, als sei es nur eine Gefälligkeit eines Urlaubers einem anderen gegenüber. Dabei habe ich aber eine ganze Menge Abzüge verkauft.“
„An Leute, die keine eigene Kamera hatten?“
„Nein, die meisten
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