Das volle Risiko
den Sattel und verlagerte das Körpergewicht auf die Ballen meiner Füße. Ich rutschte im Sattel nach links und nach rechts und nahm dann in der Mitte des Sattels die Reiterstellung ein. Dann zog ich die Zügel mit sanftem Druck an, ließ das Pferd zuerst eine Schwenkung nach links und dann eine nach rechts machen und dann im Schritt eine Runde um den Hof gehen. „Ist alles in bester Ordnung“, rief ich Kramer zu. „Die Steigbügel passen wie angegossen.“
„Die Steigbügel passen Ihnen, aber das Pferd nicht“, rief Buck zurück.
„Was ist denn los?“
„Ihnen steht ein besseres Pferd zu.“
Er nickte einem Stalljungen zu und hielt einen Finger hoch. Eine Minute später kam der Bursche mit einem Pferd aus dem Stall, das tänzelte, als gehe es auf Eiern.
Kramer warf ihm den Sattel über und machte es reitfertig. „Wo haben Sie eigentlich reiten gelernt? Nehmen Sie dieses Pferd, das ist das richtige für Sie.“
„Ich reite ja gar nicht“, antwortete ich. „Ich sitze nur im Sattel.“
„Sie können gut reiten und sitzen im Sattel, als seien Sie mit dem Pferd verwachsen. Dieser Gaul hier hat die Neigung, ein wenig zu scheuen. Er tut es aber nicht etwa, weil er wirklich vor etwas Angst hat, sondern nur, um etwas mehr Kontakt mit dem Reiter zu bekommen. Nehmen Sie den Burschen an die Kandare, wenn er es tut, aber nicht zu fest.“
Nach und nach kamen die Gäste, die am Ausritt teilnehmen wollten. Den meisten mußten die Stallburschen in den Sattel helfen. Um halb neun Uhr ritten wir endlich los.
Zunächst entlang der Fahrspur eines Jeeps, in deren Mitte sich Abdrücke von Pferdehufen abzeichneten. Dann ging es einen Canyon hinauf und aus dem hellen Sonnenlicht in dämmrigen Baumschatten. Buck, der die Spitze übernommen hatte, schlug einen leichten Trab an.
Die Feriengäste folgten in gelockerter Gruppe. Manche klammerten sich verkrampft mit Knien und Fersen an ihr Pferd; andere hingen auf dem Sattelhorn, als würden sie jeden Augenblick herunterfallen, einige hoppelten unsicher auf dem Sattel hin und her. Nur wenige saßen entspannt und genossen den Ritt.
Buck sah sich mehrfach um, und ich bemerkte, wie er mich prüfend beobachtete.
Mein Pferd war leichtfüßig wie ein Araber. Ich konnte entspannt und ohne jede Anstrengung im Sattel sitzen und hatte dabei das Gefühl, als wiege ich mich in einem Schaukelstuhl.
Etwa fünfzehn Minuten lang trabten wir in gemäßigtem Tempo ein ausgetrocknetes Bachbett entlang und kamen dann zu einer mit Schilf gedeckten Hütte. An ihren Außenwänden waren Futterkrippen und Haken zum Anbinden von Pferden angebracht. Vor einem Holzkohlenrost stand ein älterer, grauhaariger Mexikaner mit einer hohen weißen Mütze auf dem Kopf. Auf dem Rost stand etwa ein Dutzend Pfannen, in denen es appetitanregend brutzelte. Drei mexikanische Jungen halfen ihm bei der Arbeit.
Die Gäste schwangen sich, teilweise seufzend, aus den Sätteln und liefen steifbeinig zum Rost hinüber, wo sie den Koch behinderten, indem sie sich die Hände über dem Holzkohlenfeuer wärmten. Dann ließen sie sich auf den hölzernen Bänken am Picknicktisch nieder und machten sich wie hungrige Wölfe über das Frühstück her.
Der Kaffee wurde aus Emailleschalen getrunken. Man aß Eier mit Speck, geräucherten Schinken; dazu frischen Toast. Anschließend saßen die Reiter lässig auf ihren Stühlen, rauchten und unterhielten sich, bis die Sonne über die Bäume hinweg den ganzen Platz mit ihrem hellen und warmen Licht erfüllte.
Buck Kramer schlug vor, noch ein Stück weiterzureiten, was die Hälfte der Gesellschaft akzeptierte, während die anderen zur Ranch zurückkehrten.
Ich ritt jetzt dicht neben Kramer und unterhielt mich mit ihm.
„Sie halten das Pferd gut in den Zügeln“, lobte er mich. „Es reagiert auf den leisesten Druck, wie Sie sicher gemerkt haben.“
„Ich mag Pferde sehr gern.“
„Das bedeutet an sich noch gar nichts. Wichtiger ist, die Pferde mögen Sie. Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Ihren Urlaub bei uns zu verbringen?“
„Jemand erzählte mir von der Farm hier, ein Bekannter.“
„Wie heißt er denn?“ fragte Kramer. „Ich erinnere mich so ziemlich an jeden einzelnen, der hier gewesen ist.“
„Ein Bursche namens Smith. Ich habe ihn nicht besonders gut gekannt. Eines Abends traf ich ihn in einer Bar. Wir kamen ins Gespräch. Er war so sonnengebräunt, daß ich ihn danach fragte, und da hat er mir erzählt, was für eine wunderschöne Zeit er
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