Das volle Risiko
schlechten Reiter an, wird das gute Pferd ebenso schlecht wie sein Reiter.
„Die meisten Leute sind sich gar nicht im klaren darüber, daß
Pferde dem Reiter gegenüber sehr empfindsam sind. Sie wissen sofort, was mit einem Menschen los ist. Sobald Sie den Fuß in die Steigbügel setzen und die Zügel aufnehmen, weiß das Pferd auch schon Bescheid, was Sie als Reiter wert sind. Bis Sie sich so richtig im Sattel zurechtgesetzt und dem Pferd das erste Zeichen zum Wenden gegeben haben, kann der Gaul schon alles über Sie erzählen: ob Sie Ihren Kaffee schwarz oder mit Sahne und Zucker trinken.“
Kramer grinste bei diesen Worten.
„Sie scheinen sich in der Reiterei gut auszukennen“, lobte ich ihn.
„In diesem Beruf muß man auch das können. Wenn beispielsweise ein Gast mit einem nagelneuen Paar Cowboystiefeln, einem maßgeschneiderten Reitdreß, einem riesigen Cowboyhut und einem seidenen Schal um den Hals angestiefelt kommt und mit wichtiger Miene erklärt, er möchte ein Pferd haben, das besser ist, dann weiß ich, daß ich es mit einem Angeber zu tun habe.“
Dolores kam aus dem Zimmer von Melita Doon, stand wartend im Türrahmen, sah Buck bei mir sitzen und ging ins Zimmer zurück.
Buck schob seinen Stuhl nach hinten, stand auf, sah auf mich herab und sagte: „Wissen Sie, Lam, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber irgend etwas an Ihnen ist sonderbar.“
„Nanu. Da bin ich aber neugierig. Wieso denn?“
„Sie reden so wenig.“
„Erwartet man denn von mir, daß ich viel rede?“
„Eigentlich schon. Normalerweise reden die Gäste sich alles von der Leber herunter, vor allem diejenigen, die wirklich reiten können. Sie erzählen mir, wo sie schon überall Urlaub verbracht haben, welche Campingfahrten sie gemacht und wie viele Stunden sie täglich im Sattel verbracht haben. Wo, zum Teufel, haben Sie eigentlich reiten gelernt?“
„Ich reite ja gar nicht. Ich sitze nur auf dem Pferd.“
Er brummte ärgerlich und stelzte davon.
Kaum war er außer Sichtweite, trat Dolores mit Melita Doon aus dem Zimmer und kam zu mir herüber. „Miß Doon, darf ich Ihnen einen guten Freund vorstellen? Mr. Donald Lam.“
Ich erhob und verbeugte mich. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.“
Die haselnußbraunen Augen sahen mich so unverhohlen forschend an, daß ich fast verlegen wurde.
„Guten Tag“, sagte sie und reichte mir die Hand. Sie hatte sich inzwischen umgezogen und trug einen Reitanzug, der ihre schlanke Figur vorteilhaft zur Geltung brachte.
„Es ist gerade Mittagszeit, und ich habe noch nichts gegessen“, leitete Dolores das Gespräch ein. „Dürfen wir uns zu Ihnen setzen, Donald? Sie scheinen allein zu sein?“
„Nichts wäre mir angenehmer als das“, antwortete ich erfreut.
Dolores gab dem Mann, der das Essen servierte, einen Wink. Er brachte zwei Stühle an meinen Tisch, auf denen die beiden Mädchen Platz nahmen.
Dolores wandte sich an Melita. „Donald und ich sind gute Bekannte.“
Melita lächelte mir zu.
Der Kellner kam und nahm die Aufträge entgegen.
Melita studierte mich mit offenkundiger Neugier, die bei weitem nicht der beiläufigen Aufmerksamkeit entsprach, die junge Damen im Urlaub gewöhnlich einem Fremden entgegenbringen.
Mich überkam ein Gefühl der Panik. Ich fragte mich, ob Dolores die Bekanntschaft mit mir nicht etwas zu auffällig und unmißverständlich zugegeben hatte. Dolores steuerte geraden Weges auf ihr Ziel zu, ohne Zeit zu vergeuden, und Melita schien mir ein Mensch zu sein, der Auffälligkeiten nicht übersah; und zeitweise konnte Dolores verdammt deutlich sein.
Als wir beide beim Hauptessen waren, kam Buck Kramer an unseren Tisch und übermittelte Dolores eine telefonische Durchsage. „Mr. Helmann Bruno trifft mit dem Flugzeug um halb vier Uhr ein“, meldete er.
„Das paßt gut“, antwortete Dolores. „Werden Sie ihn abholen, Buck?“
„Ich fahre nachher gleich hin.“
Ich beobachtete Melitas Gesicht, als Buck die Nachricht übermittelte. Ich hätte schwören mögen, daß ihre Augen für einen kurzen Moment so etwas wie Furcht erkennen ließen. Dann aber senkte sie bescheiden die Lider, schaute auf den Teller und spielte so lange mit dem Kaffeelöffel, bis sie sich wieder ganz in der Gewalt hatte.
„Ein neuer Gast?“ fragte sie und sah jetzt Dolores an.
„Ja, ein neuer Gast“, antwortete Dolores. „Sie kommen und gehen. Es ist wie in einem Bienenhaus.“
„Bruno“, sagte Melita. „Das ist ein ungewöhnlicher Name. Helmann
Weitere Kostenlose Bücher