Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
Eisenleitern in das geheimnisvoll düstere Meer hinunterklettern. Je nach Wasserstand waren das zwischen einem und zwei Metern. Man war aber gezwungen, gleich loszuschwimmen, da es sofort sehr tief wurde.
Es gab natürlich auch die Möglichkeit, von der Plattform aus direkt ins Wasser zu springen.
Das war deshalb von großem Vorteil, weil man dadurch der Gefahr entging, in einen der unzähligen Seeigel zu treten, die es sich auf den unteren Sprossen bequem gemacht hatten.
Wir hatten im Übrigen sehr schnell den Eindruck gewonnen, dass man uns insgesamt eher als eine Art Eindringlinge sah. Dieser Campingplatz war nämlich vorrangig von Einheimischen okkupiert, und fast schien es so, als wolle man hier keine Gäste von egal woher, die dann vielleicht anderen von diesem wunderschönen Ort erzählen würden, woraufhin die Einheimischen diesen Platz mittelfristig an den Tourismus verlieren würden. Und so wurde es eben doch immer abrupt still, wenn wir am Morgen ebenfalls unsere Badetücher auf dem Beton plazierten, und es dauerte auch immer ein paar entscheidende Sekunden zu lang, bis man uns Platz machte, damit wir zu der Leiter vordringen konnten. Mir fiel es vergleichsweise leicht, das zu ignorieren, denn bei mir überwog die Freude über dieses urwüchsige Fleckchen Erde – von dem Betonstrand einmal abgesehen – und die Tatsache, dass wir es gefunden hatten.
Meiner Freundin Karin aber machten die versteinerten Mienen tagaus, tagein doch sehr zu schaffen. Die Freude am Camping wurde ihr dadurch sichtlich mehr und mehr verleidet. Das galt es natürlich um jeden Preis zu verhindern, schließlich war ich mit diesem Urlaub ja angetreten, um ihr das genaue Gegenteil zu beweisen!
Da fiel mir plötzlich ein, wie ich genau dadurch die Vorteile des Campingurlaubes auf ganz andere Art und Weise unter Beweis stellen konnte: Jetzt kam mir nämlich zugute, dass mein Freund Wago so nett gewesen war, mir sein großes Profi-Schlauchboot zu leihen.
Unter den eisigen Blicken meiner missgünstigen Mitcamper entrollte ich also eines Mittags das riesige, orange gummierte Gewebe und klemmte mich hinter die Kolbenpumpe.
Wenig später blockierten über drei Meter Schlauchboot den knapp bemessenen Platz des Betonquadrats und wurden von allen Seiten mit einer Mischung aus Neid und Ablehnung beäugt. Das war mir nur recht, und ich notierte mit grimmiger Befriedigung, wie einer der Badegäste sein lächerliches Gummiboot jenseits des Betonplateaus plazierte, um einem direkten Vergleich mit unserem stolzen Schwan so aus dem Weg zu gehen.
Trotzdem oder gerade deswegen fanden sich schließlich genug zupackende Hände, die mir dabei halfen, das Boot über die Eisentreppe hinunter zu Wasser zu lassen. Meine Freundin murmelte etwas von »Die wollen uns loswerden …«, als sie auf ihren damals modernen Plateau-Korksohlen etwas unsicher von der Leiter in das Boot kletterte, und lag damit wohl gar nicht so falsch.
Das Meer war an diesem Tag glatt wie ein Spiegel.
Im Boot lag neben einer Picknickdecke noch eine wasserdichte Tasche mit dem notwendigen Geschirr, dazu Kaffee und Kekse und zusätzlich zu den Tauchersachen natürlich noch der unvermeidliche Wasserkanister.
Meine Freundin Karin saß vorne im Bug und sonnte sich. So beladen ruderte ich quer über eine weite Bucht zu einer ziemlich weit entfernten Landspitze.
Wir fanden bald ein sehr nettes ebenes Felsplateau, wo wir ganz alleine waren und völlig ungestört nackt in der Sonne liegen konnten.
Als wir gerade unseren Kaffee tranken, kam etwas Wind auf. Erst waren wir über die willkommene Abkühlung froh.
Aber als der Wind an Stärke immer mehr zunahm und auch die Wellen immer höher wurden, bekam meine Freundin erhebliche Bedenken und drängte mich, doch bitte zurückzurudern.
Obwohl ich mir insgeheim auch ein bisschen Sorgen machte und außerdem schon ahnte, dass wir auf der Heimfahrt gehörigen Gegenwind haben würden, blieb ich ganz cool. Ich trank erst in aller Ruhe meinen Kaffee aus, bevor ich anfing, alles gemächlich im Boot zu verstauen. Es galt jetzt, Ruhe auszustrahlen, um Karin nicht das Gefühl zu geben, dass die Zeit drängte oder Schlimmeres zu erwarten war.
Schließlich zog ich das Boot über den Stein zum Wasser. Ich war dabei überaus vorsichtig, da die Felsen sehr scharfkantig waren. Es gab auch hier keinen wie auch immer gearteten Strand oder ähnliche Stellen, wo man das Boot hätte bequem ins Wasser schieben können. Stattdessen musste ich das große Schlauchboot
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