Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
gerutscht, und dreieinhalb Meter gummiertes Gewebe nagelten meinen Körper für die nächsten zweieinhalb Stunden auf dem steinigen Boden fest. Es war nur dem glücklichsten aller Zufälle zuzuschreiben, dass ausgerechnet die Stelle, an der ich mit dem Kopf aufschlug, vorrangig aus Sand bestand und ich trotzdem atmen konnte.
Weniger gut war natürlich, dass sich der ideale Trockenplatz für das Boot wie bereits erwähnt an einem der schattenlosesten Orte des gesamten Strandes befand. Kaum war die letzte Feuchtigkeit verdunstet, heizte sich das Schlauchboot auf wie ein römischer Feuertopf, und mich natürlich mit. Ich hatte aufgrund der Hitze zeitweise die Besinnung verloren. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mich heute nicht mehr daran erinnere und auch keine Angst vor beengenden Orten davongetragen habe.
Mit erleichterten Freudentränen in den Augen befreite mich mein Vater aus dem dröhnend heißen Gefängnis. Ich sah nicht gut aus. Hatte ich nach unserer täglichen Bootsfahrt schon einen etwas abwesenden Eindruck gemacht, so glich ich nun einer lobotomisierten Dörrpflaume. Aber die Freude über meine Wiederkehr überwog natürlich, und nachdem meine Eltern mich mit literweise Trinkwasser von innen und außen durchgespült hatten, ging es mir bald schon etwas besser, und ich konnte sie schon wieder aus trüben Augen mustern.
So endete dieser Tag trotz meines bampfigen Gesamtzustandes doch in maßloser Erleichterung, und ich empfinde es bis heute als gerecht, dass mein Vater dann noch in der Nacht losziehen musste, um den Dreißig-Liter-Kanister wieder mit Trinkwasser zu füllen.
Zum Thema Bootfahren hatte meine Mutter noch eine Anekdote beizutragen, die sie mit den Worten »Da dachte ich, du wärst ersoffen, Werni« höchst effektiv einleitete. Eine halbe Stunde später war auch diese Geschichte in ihrer Gänze restauriert und sogar durch Fotomaterial untermauert.
Da sich diese Begebenheit ziemlich genau neun Monate vor meiner Geburt ereignete und somit essenziell mit meiner Existenz auf Erden verknüpft scheint, überlasse ich es ein weiteres Mal meinem Vater, diese Geschichte zu Papier zu bringen. Mir erscheint es auch nur recht und billig, dass mein Vater den Zyklus »Bootfahren« zum Abschluss bringt und so ganz nebenbei beweist, dass meine Anwesenheit nicht zwingend erforderlich war für urlaubstechnische Eskalation.
Felsen, Wulst und Wellen
von Werner Krappweis
I m Jahr 1971 fuhr ich mit meiner neuen Freundin Karin nach Kroatien, das ja damals noch Jugoslawien war. Diese Freundin sollte später meine Ehefrau, Mutter meiner beiden Söhne Tommy und Nico sowie schließlich meine Ex-Frau werden. Von Letzterem waren wir zu dieser Zeit noch denkbar weit entfernt.
Als überzeugter und eingefleischter Campingfan wollte ich ihr unbedingt gleich am Anfang unserer Beziehung die wunderbaren Freuden des Campinglebens nahebringen und war darum wild entschlossen, für uns den großartigsten, urigsten und romantischsten Standplatz Jugoslawiens zu finden.
Ein paar Tage Autofahrt später glaubte ich schon, dass es an der ganzen jugoslawischen Küste keinen einzigen Campingplatz geben würde, der diesen Vorstellungen wenigstens einigermaßen entsprach. Doch dann war mir das Glück doch noch hold, und es war einmal mehr eine dieser unscheinbaren Seitenstraßen, die uns direkt an einen der wunderschönsten Orte führte, die ein deutsches Camperpärchen jemals hätte finden können. Es war zwar kein Wildcamping, aber da wir ja mit einem Karmann-Ghia-Zweisitzer unterwegs waren und somit allzu unwegsames Gelände ohnehin nicht zu bewältigen gewesen wäre, war ich ganz froh darüber. Zudem gab es in nicht allzu weiter Ferne fließendes Wasser und rudimentäre sanitäre Anlagen.
Wir bauten unser Zelt etwas abseits von den anderen ganz am Rande des Campingplatzes auf. Unser Glück war dabei noch, dass wir ganz vorne in der ersten Reihe direkt am Meer stehen konnten. Es war wirklich genau so, wie wir es uns in unseren Träumen immer vorgestellt hatten. Oder, um genauer zu sein, wie zumindest ich es mir in meinen Träumen vorgestellt hatte.
Während meine Freundin natürlich viel lieber an einem Sandstrand gewesen wäre, war ich glücklich über das felsige, zerklüftete Ufer, das ja zum Schnorcheln und Tauchen viel interessanter war.
An einer Stelle zwischen den Felsen gab es für die Badegäste außerdem eine nicht sehr breite, aber immerhin recht eben betonierte Plattform. Von dort aus konnte man über zwei
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