Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
möglichst weit über eine Felskante bewegen und ihm in dem Moment einen Schubs geben, als das wogende Meer es erfasste.
Auf dem Bauch liegend hielt ich es nun in sicherer Entfernung vom schroffen Fels und bat meine Freundin, jetzt doch bitte möglichst schnell in das Boot zu springen.
Aber jedes Mal, wenn sie den Versuch wagen wollte, war das Boot entweder gerade in einem Wellental oder es wurde von der nächsten Welle mit Wucht so hoch geworfen, dass die Gischt ins Boot und auch über mich schwappte. Es wurde auch zunehmend schwierig, auf dem nassen Felsen Halt zu finden, gleichzeitig das Boot nicht loszulassen und es doch auf Abstand zu halten. Durch die sich an den Felsen brechenden Wellen war es zudem schwer, sich zu verständigen. Einige Liter davon hatte ich auch bereits verschluckt. Langsam wurde ich ungeduldig. Mit dem nackten Bauch auf dem rauhen Steinboden und das tanzende Boot nur mit Mühe im Griff, rief ich somit wahrscheinlich etwas zu laut, sie sollte sich jetzt nicht so blöd anstellen und endlich springen.
Das war Karin zu viel.
Sie stand nur bewegungslos da, und Tränen der Verzweiflung liefen über ihre Wangen. Sofort tat es mir leid, und ich rief ein paar beruhigende Worte durch das prasselnde Wasser. Gleichzeitig versuchte ich nun, das Boot vorsichtig etwas näher an das Ufer zu ziehen, um ihr das Einsteigen zu erleichtern.
Wie um mich zu bestrafen, warf die nächste Welle aber das Boot mit einer solchen Wucht gegen die Felsen, dass ich es nicht mehr auf Abstand halten konnte.
Da war es auch schon geschehen! Mit einem kurzen, heftigen Pffft erschlaffte der rechte Wulst des eben noch so stolzen Schlauchbootes.
Erschrocken zerrten wir das Wrack aus dem Wasser, und ich sah mir den Schaden an. Ein mindestens fünfzehn Zentimeter langer waagrechter Schlitz prangte mitten in der rechten Hauptkammer, und die Luft war sofort komplett entwichen.
Nun war guter Rat teuer, und sofort ging ich in Gedanken unsere Optionen durch. Mir war klar, dass dieser Ort bald nicht mehr sicher war, da die Flut eher noch stärker werden würde. Der Landweg über die schroffen Felsen zurück in unsere Bucht war eventuell möglich, aber erstens nur ohne das Boot und zweitens nicht mit Karin auf ihren hohen Korkschuhen. Am wichtigsten war mir aber, dass sie von all diesen Überlegungen und möglichen Konsequenzen nichts mitbekam. Nach wie vor war ich wild entschlossen, alle Probleme herunterzuspielen und wenn möglich zu verlachen.
Ein erster Lösungsansatz präsentierte sich schließlich in Form eines nahenden Bootes. Sofort hüpften, winkten und schrien wir wie zwei Schiffbrüchige. Die fünf Männer an Bord sahen uns und steuerten auch sofort unseren Landeplatz an.
Da sie gerade vom Tauchen kamen, war ihr Schlauchboot schwer beladen mit Tauchgerät und dem Fang und lag tief im Wasser. Es war größer als das unsere und hatte seitliche Stoßleisten angebracht. Somit tanzte es kaum auf den Wellen und konnte so recht sicher direkt ans Ufer heranfahren. Meinen Neid auf diese wuchtige Schlauchbootfestung unterdrückend, gestikulierte ich den Tauchern, dass sie meine Freundin bitte in die nächste Bucht mitnehmen sollten. Für mich und das Wrack war beim besten Willen kein Platz mehr.
Ehe sich’s meine Freundin richtig versah, wurde sie auch schon von zwei Männern gepackt und in das Boot gehoben.
Da sie nur einen Bikini und sonst nichts zum Anziehen dabeihatte, warf ich ihr noch schnell die klamme Picknickdecke hinterher.
Da gaben sie auch schon besonders posierend Gas, und es dauerte nicht lange, bis sie mitsamt meiner Freundin hinter der nächsten Landzunge verschwunden waren.
Na ja, wenigstens hatte ich nun freie Bahn und konnte mich ganz der Problemlösung widmen. Ich wusste noch von der gemeinsamen Sardinienreise mit meinem Freund Wago, dass sich in der Schublade unter der Sitzbank neben einem winzigen Anker, jeder Menge Seile und sonstigem Gerümpel auch ein kleiner Blasebalg und ein Notfalltäschchen mit Flickzeug befand.
Also machte ich mich daran, den Schaden zu beheben.
Leider waren die drei Reparaturflicken für das große Loch viel zu klein und der dazugehörige Kleber schon so zäh, dass man ihn kaum aus der Tube drücken konnte.
Trotzdem musste ich mein Glück versuchen.
Mit einem flachen Stein rauhte ich erst die Fläche rund um die Schadstelle vorsichtig auf, in der Hoffnung, dass dann der Klebstoff besser haften würde. Anschließend versuchte ich, die drei Flicken wie Fischschuppen hintereinander auf den
Weitere Kostenlose Bücher