Das Wagenrennen
ist leer. Und wenn ich sage leer, meine ich leer. Von den Skulpturen und den Gemälden ist nichts mehr zu sehen. Mist!
Ich fluche laut. In den wenigen Minuten, die ich draußen war, hat mich ein Zauberer hereingelegt. Ich mache meiner Enttäuschung mit einem Tritt gegen eine Schranktür Luft. Sie schwingt langsam auf, getrieben von einem schweren Gewicht dahinter. Entsetzt sehe ich mit an, wie ein Körper nach vorne kippt und mir vor die Füße fällt. Es ist Senator Mursius. Er blutet aus einer Wunde am Rücken. Und er ist tot.
Ich stehe da, starre dumm auf den Leichnam und versuche herauszufinden, was passiert ist. Plötzlich trampeln schwere Stiefel die Treppe hinauf. Ich habe keine Zeit mehr zu fliehen und wüsste auch nicht, wo ich mich verstecken sollte. Ein ganzer Zug Zivilgardisten platzt in das Büro. Als sie mich neben dem Toten stehen sehen, umringen sie mich mit gezückten Schwertern. Ihr Hauptmann bückt sich und untersucht den Leichnam.
»Es ist Senator Mursius!«, ruft er.
Ich werde auf der Stelle verhaftet. Eine Minute später hocke ich schon in einem geschlossenen Karren und bin unterwegs zur Hauptwache von ZwölfSeen.
»Du steckst mächtig in der Gülle«, murmelt einer der Gardisten.
Senator Mursius war ein Held in Turai. Und man muss kein Genie sein, um darauf zu kommen, dass ich der Hauptverdächtige für den Mord an ihm bin. Ich stecke tatsächlich in der Gülle. Als ich aus der Karre und in eine Zelle geführt werde, zucken Blitze über den Himmel.
Ich hatte Recht. Normalerweise wenden meine Fälle sich zum Schlechten. Und dieser hier entwickelt sich ganz besonders mies.
6. KAPITEL
Auf der Wache wirft man mich in eine unterirdische Zelle, in der es so heiß ist wie in der orgkischen Hölle und so stinkt wie in einem Abwasserkanal. Die Gardisten kennen mich alle, aber niemand wird mir einen Gefallen tun. Außer vielleicht Inkorruptox, aber der ist nirgendwo zu sehen. Zivilgardisten mögen keine Detektive. Und mich mögen sie schon gar nicht. Die Garde steht unter dem Befehl des jeweiligen Stadtteil-Präfekten. Der letzte Präfekt von ZwölfSeen, Calvinius, war so korrupt, dass man mir eigentlich einen Orden hätte verleihen müssen, weil ich ihn aus der Stadt getrieben habe. Aber die Gardisten schätzen es nicht, wenn ein Detektiv ihnen den Nachschub an Bestechungsgeldern kappt. Ich habe zwar bis jetzt den Ersatz für Calvinius, Drinius, noch nicht persönlich kennen gelernt, aber ich bezweifle, dass er auch nur einen Deut besser ist.
Eine Weile verhört mich ein Sergeant. Ich versichere ihm, das ich nichts mit dem Mord zu tun habe, und verspreche, dass ich ihm die ganze Geschichte erzähle, wenn mein Anwalt eintrifft. Er verrät mir, dass dies wahrscheinlich noch etwas dauern wird.
»Warum habt Ihr den Senator getötet?«, erkundigt er sich.
Ich schüttle müde den Kopf. Wenn er mir meine Beteuerungen die ersten zehn Male nicht geglaubt hat, werde ich ihn wohl jetzt auch nicht überzeugen können. Also halte ich die Klappe und warte, bis jemand anderes kommt, jeder, der verhaftet wird, hat das Recht auf einen Pflichtverteidiger. Das heißt aber noch lange nicht, dass man auch wirklich einen bekommt. Sie überschlagen sich in ZwölfSeen nicht gerade mit dem Respekt vor den Bürgerrechten. Ich sollte mir unbedingt einen Rechtsanwalt auf Honorarbasis halten, aber ich kann es mir nicht leisten.
Es ist zwar offensichtlich, dass Carilis mich in diese Falle hat stolpern lassen, aber ich habe nicht den leisesten Schimmer, aus welchem Grund. Die Tür geht auf, und Präfekt Drinius marschiert herein. Sein Rang wird von dem gelben Saum an seiner Toga angezeigt. Er ist groß und schlank, hat ein Raubvogelgesicht und kurz geschorenes dunkles Haar. Er ist bestimmt nicht viel älter als ich. Ich kann mir vorstellen, dass er im Krieg gekämpft hat, was einiges über seinen Charakter aussagt. Viele andere Bonzen der Stadt haben sich davor gedrückt. Er hat die wohlklingende Stimme des Aristokraten, in dessen Schule Rhetorik Pflichtfach gewesen ist.
»Habt Ihr Senator Mursius getötet?«
»Nein.«
»Erklärt mir, was Ihr in dem Lagerhaus gewollt habt.«
Ich wiederhole meine Forderung nach einem Rechtsbeistand. Es ist nicht gut, Aussagen vor der Garde zu machen, ohne dass ein Anwalt dabei ist. Außerdem möchte ich Mursius’ Ruf nicht dadurch schmälern, dass ich die Wahrheit über seine Frau in die Öffentlichkeit trage. Auch wenn Mursius tot ist, fühle ich mich verpflichtet, den guten Namen
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