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Das Wagenrennen

Das Wagenrennen

Titel: Das Wagenrennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Scott
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Frauenzimmer geben würde. Was für ein Witz!
    Wieder ertönt das Klopfen. Diesmal lauter und dringlicher. Normalerweise ist meine Türe mit einem Schließbann gesichert. Es ist ein üblicher Minderzauber, den ich beliebig oft verwenden kann, ohne ihn jedes Mal neu auffrischen zu müssen wie einen der großen Zauber. Allerdings kann er auch von Leuten angewendet werden, die keine Ahnung von den Geheimen Künsten haben. Er ist zwar einigermaßen wirksam gegen kleine Diebe, aber jemanden, der fest entschlossen ist, kann er nicht abhalten. Vor einigen Monaten ist Marihana, die Meuchelmörderin, uneingeladen hier eingedrungen. Der Bann hat sie kaum länger als eine Sekunde aufgehalten. Ich murmele die entsprechenden Anrufungen, und die Tür schwingt auf.
    Es ist Carilis, die nicht gerade übermäßig hingebungsvolle Krankenschwester, der wir gestern in Ferias begegnet sind. Ihre eleganten schwarzen Stiefel sind schlammbedeckt, und von ihrem teuren blauen Umhang tropft das Wasser.
    Sie kommt herein und sieht sich missbilligend um. »Was für ein Durcheinander!«
    »Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr kommt, hätte ich vorher sauber gemacht.«
    »Wie könnt Ihr überhaupt in einem solchen Dreck leben? Das ist ja widerlich.«
    Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu. Es ekelt mich beinahe selbst.
    »Seid Ihr hergekommen, um mir einen Vortrag über den Zustand meines Büros zu halten?«
    »Tut das nicht sowieso jeder?«
    »Einige Leute sind dafür zu gut erzogen. Und die anderen haben meistens zu viele Probleme, um sich darum zu kümmern.«
    »Ich finde es jedenfalls sehr abstoßend. Ihr solltet etwas dagegen unternehmen.«
    »Das mache ich gerne. Und vorher zerre ich Euch an Eurem Ohr nach draußen, wenn Ihr nicht zur Sache kommt. Was wollt Ihr?«
    Sie starrt mich an, als wäre ich gerade unter einem Stein hervorgekrabbelt. Trotzdem schluckt sie den Rest ihrer Kritik herunter und kommt zum Geschäft.
    »Mursius’ Habseligkeiten.«
    »Was ist damit?«
    »Hat er Euch beauftragt, sie zu finden?«
    »Vielleicht.«
    Sie beugt sich über den Tisch und lässt einen Fetzen Papier vor mich auf die Platte fallen. »Ihr findet sie dort, wenn Ihr Euch beeilt«, sagt sie. Dann macht sie kehrt und verschwindet, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Ich betrachte das Papier. Eine Adresse steht darauf. Es ist die eines alten Lagerhauses in der Nähe der Hafenanlagen.
    Ich hole meinen magischen Regenmantel. Der Fall löst sich möglicherweise viel einfacher, als ich dachte.
    Es hat aufgehört zu regnen, und vom Meer weht eine heiße Brise herüber, die den Dampf von den Straßen aufsteigen lässt. Die Flugratten, kleine schwarze Vögel, welche die Stadt verseuchen, riskieren ein leises Zwitschern und verlassen ihren hohen Sitz auf den Dächern der Gebäude. In der Heißen Regenzeit lungern sie gewöhnlich genauso übellaunig herum wie alle anderen Lebewesen in Turai.
    Erst als ich den Quintessenzweg schon fast hinter mir habe, fällt mir auf, dass ich gar nicht gefrühstückt habe. Aber ich bin hungrig. Außerdem naht die Zeit für die Gebete. Ich haste durch den Schlamm, weil ich unbedingt in einem geschlossenen Raum sein will, bevor Sabbam, der Ruf zum Morgengebet, mich erwischt. Er schallt so regelmäßig wie ein Uhrwerk jeden Morgen durch die Stadt. Alle Bürger sind gesetzlich verpflichtet, niederzuknien und zu beten, ganz gleich, wo sie sich befinden. Jeder, der bei einem Verstoß erwischt wird, wird wegen Gottlosigkeit angeklagt. Und davon kann sich niemand freikaufen. Natürlich versuchen die meisten Bürger, während der Gebete an geeigneten Orten zu sein. Aber wenn man auf der offenen Straße von dem Ruf überrascht wird, muss man dort beten. Und das dreimal am Tag. Das verschlechtert meine Laune noch mehr. Aber es könnte noch viel schlimmer sein. Oben in Nioj wird es erheblich strikter gehandhabt. Dort werden die Menschen sechsmal am Tag zum Gebet gerufen. Als ich das letzte Mal in einem Fall dort ermittelt habe, taten mir die Knie einen ganzen Monat lang weh.
    Ich schaffe es bis zum Hafen und schlage den Weg zum Lagerhaus ein. Doch bevor ich es erreiche, ertönt der Ruf vom Turm der nächstgelegenen Kirche. Ich muss mich hinknien und beten. Ich koche vor Wut. Solche Dinge machen einem den Beruf eines Detektivs schwer. Wenn in diesem Lagerhaus etwas faul ist, wird der Übeltäter genug Zeit haben, es zu vertuschen, bevor ich endlich hereinkomme.
    Auf der Pier knien überall die Hafenarbeiter nieder, also kann ich es

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