Das Wagenrennen
Stadion, und hier hält sich Lord Rezaz auf. Noch weiß niemand in der Stadt, dass der Schlächter hier ist. Ein Gardist führt mich zu Zitzerius.
»Wir haben ein Problem«, verkündet der Vizekonsul zur Begrüßung.
»Schon?«
»Ich fürchte, ja. Kommt mit.«
Er führt mich durch die Villa. Sie ist genauso protzig wie erwartet, aber ich bin nicht in der Stimmung, Kommentare über die schicke Möblierung abzugeben. Bevor ich mich richtig sammeln kann, hat Zitzerius mich schon in einen großen Empfangssaal geführt. Am Fenster steht der Orgk, den ich das letzte Mal am Fuß unserer geborstenen Stadtmauer gesehen habe, und zwar vor etwa fünfzehn Jahren.
»Lord Rezaz Caseg«, sagt Zitzerius und stellt mich anschließend vor.
Lord Rezaz ist groß, selbst für einen Orgk, und er sieht noch ziemlich genau so aus, wie ich ihn erinnere. Etwas verknitterter vielleicht, aber das ist schwer zu sagen. Orgks sehen immer irgendwie verknittert aus. Trotz seines hohen Rangs trägt er nur die schlichte schwarze Tunika eines Orgk-Kriegers. Darüber allerdings hat er einen prächtigen roten Umhang geworfen, und in der Hand hält er einen goldenen Amtsstab. Neben ihm stehen zwei weitere Orgks. Die sind für ihre Rasse eher kleinwüchsig. Sie haben dunkles, zerzaustes Haar, was normal ist, und der eine trägt die schwarze Kleidung eines Kriegers. Er sieht hinterhältig und gemein aus. Der andere ist unbewaffnet. Wie sich herausstellt, ist das Rezaz’ Wagenlenker.
Ich fühle mich außerordentlich unwohl. Ich bin zusammen mit drei Orgks in einem Zimmer, und der einzige Mensch, der mir helfen könnte, ist Zitzerius. Der Vizekonsul war noch nie ein großer Kämpfer, nicht einmal in seiner Jugend. Ich werde das Gefühl nicht los, dass diese Orgks mich angreifen wollen, diplomatische Mission hin oder her, und bereite den Schlafzauber vor.
»Ich erinnere mich an Euch.« Lord Rezaz’ Stimme erschreckt mich.
»Ihr erinnert Euch an mich?«
»Damals, an der Mauerbresche. Ihr habt dort gekämpft. Ich habe Euch gesehen. Allerdings wart Ihr damals erheblich dünner.«
Das erschreckt mich noch mehr, und außerdem bin ich etwas gereizt. Das Letzte, was ich erwartet habe, ist, dass er blöde Bemerkungen über mein Gewicht macht.
»Es freut mich, dass der Mann, der uns helfen soll, ein Krieger ist«, fährt der Orgk-Lord fort.
Zitzerius scheint hocherfreut, dass es sich so gut anlässt. Ein Diener bringt Wein. Bevor ich herkam, hatte ich beschlossen, solche Gesten abzulehnen. Ich will nicht mit einem Orgk trinken, habe ich zu Ghurd gesagt, jetzt pfeife ich darauf und nehme ein Glas. Es hat keinen Sinn, mir selbst das Leben schwer zu machen.
»Würde mir vielleicht jemand erzählen, um welches Problem es sich handelt?«
»Sabotage«, sagt der Vizekonsul.
»Jetzt schon? Der Wagen ist doch noch nicht einmal hier.«
»Der Gebetsteppich meines Wagenlenkers ist entwendet worden«, erklärt Lord Rezaz. »Und ohne ihn kann er nicht fahren.«
Ich starre sie verständnislos an. »Sein Gebetsteppich?«
»Ein orgkischer Wagenlenker muss seinen Gebetsteppich unter seine Füße legen, bevor er sich in den Wettkampf begibt. Ohne ihn kann er nicht fahren. Und letzte Nacht hat jemand den Teppich meines Wagenlenkers gestohlen.«
»Könnt ihr ihm denn keinen neuen knüpfen?«
Dumme Frage. Anscheinend bekommt jeder Orgk seinen eigenen Gebetsteppich von einem Priester, wenn er in das richtige Alter kommt. Ihn zu verlieren ist eine ernste Sache. Einen Ersatz kann er nur von einem orgkischen Tempel bekommen, und der nächstgelegene Tempel der Orgks ist einige Wochenritte entfernt. Da ich nichts über orgkische Religion weiß, ist das alles Neuland für mich. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt beten.
Ich drehe mich zu Zitzerius um. »Wird diese Villa denn nicht bewacht?«
»Sie wird sogar schwer bewacht. Trotzdem ist der Diebstahl passiert.«
»Wir haben natürlich damit gerechnet, dass es während unseres Aufenthalts einige Schwierigkeiten geben würde«, erklärt Lord Rezaz. »Aber wir haben nicht vorausgesehen, dass unsere Religion besudelt und wir beraubt würden, sobald wir in Turai ankommen. Und das, obwohl wir unter dem Schutz des Königs stehen.«
Zitzerius wirkt besorgt. Er sieht seine Kupferminen vor seiner Nase verschwinden und mit den Minen auch seine Gunst beim König.
Ich frage den Vizekonsul, ob ein Zauberer bereits an dem Fall arbeitet. Er wirkt etwas verlegen und gibt schließlich zu, dass er bisher gezögert hat,
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