Das Wagenrennen
sehr dankbar. Wir haben zwar zusammen gekämpft, aber das war vor langer Zeit, und er schuldet mir nichts.
In Thamlin findet man immer Miet-Landauer, im Gegensatz zu ZwölfSeen. Und die Kutscher sind alles andere als erpicht darauf, einen in das Hafenviertel zu fahren.
»In die nächste Kaschemme«, weise ich den Fahrer an. »Und danach in die Königliche Bibliothek.«
Kemlath ist überrascht. »Wollt Ihr Euch etwa weiterbilden?«
»Nein, ich will mich unterhalten.«
Der Kutscher hält an einer eleganten Gaststätte am Rand der bewaldeten Hügel zwischen dem Palastgebiet und Thamlin. Die Gäste sitzen in intimen Nischen und schlürfen Wein. Es handelt sich hauptsächlich um hohe Palastbedienstete und Bonzen, um ein oder zwei Senatoren und ihre Sekretäre, und ich kann sogar ein paar Zauberer sehen. Ich schnappe mir eine Kellnerin und bestelle den größten Krug mit Bier, den sie haben. Anschließend schärfe ich ihr ein, ihn so lange nachzufüllen, bis ich sage, dass sie aufhören kann.
»Und etwas zu essen«, füge ich hinzu.
Ich habe hier häufig gegessen, als ich noch im Palast gearbeitet habe. Damals hatten sie einen sehr guten Koch. Ich hoffe, dass er immer noch hier arbeitet.
Die Kellnerin bringt mir eine Speisekarte.
»Bringt mir alles. Und noch etwas Brot extra.«
»Eine Möglichkeit, eine Aura zu fälschen …«, beginnt Kemlath.
Ich unterbreche ihn mit einer Handbewegung. »Ich bin zu hungrig. Wartet noch einen Moment.«
Ich trinke meinen Krug in einem Zug aus, setze den zweiten an und bedeute der Kellnerin, den auch gleich wieder nachzufüllen. Die ersten Gänge des Essens kommen. Brot und irgendwelche raffinierten Fisch-Vorspeisen. Ich kann nicht genug von der Speise mit dem kleinen Löffel aufschaufeln, den man mir gegeben hat, also benutze ich meine Finger und nehme auch noch das Brot zu Hilfe.
»Mehr Bier«, sage ich zur Kellnerin, bevor sie mir entwischen kann. »Schnell. Und bringt bei der Gelegenheit gleich den nächsten Gang mit.«
Sie lächelt. Zweifellos wissen die Angestellten einen Gast zu schätzen, der einen gesegneten Appetit hat. In der Gaststätte ist es angenehm kühl. Ich habe mich schon seit Wochen nicht mehr so wohl gefühlt. Die Kellnerin kommt mit einem kleinen Rollwagen an, auf dem sechs Hauptgerichte und eine appetitliche Auswahl von Beilagen stehen. Sie sieht mich fragend an.
»Lasst den Wagen einfach stehen«, sage ich. »Und bringt mir noch ein Bier. Habt Ihr denn keine größeren Krüge?«
Kemlath sieht mir überrascht zu, wie ich mich über die Speisen auf dem Wagen hermache. Er selbst nippt an einem Glas Wein und stochert auf seinem kleinen Teller mit geröstetem Hühnchen herum.
»Ich muss auf meinen Magen achten«, sagt er beinah entschuldigend.
Typisch Zauberei. Sie kann einem nicht mal einen gesunden Appetit und eine gute Verdauung garantieren.
»Kann ich Euch noch etwas bringen?«, will die Kellnerin wissen. Ich bitte sie, noch einmal einen Wagen mit Hauptgerichten aufzufahren.
»Aber macht diesmal die Teller voller. Und eine Nachspeise von jeder Sorte. Und noch etwas Brot. Habt Ihr mir schon ein frisches Bier gebracht? Bringt mir lieber noch eins.«
Ich löse meinen Gürtel, und er fällt klappernd zu Boden. Ich achte nicht darauf, sondern esse weiter. Allmählich fange ich an, mich wieder wie ein Mensch zu fühlen.
»Noch mehr Bier«, bitte ich die Kellnerin.
Ich bemerke, dass der Küchenjunge mir bewundernd zusieht.
»Es scheint schon eine Weile her zu sein, seit sie einen guten Esser hier bewirtet haben«, murmele ich Kemlath zu. Dann widme ich mich der reichhaltigen Nachspeise.
Als ich noch ein Bier in mich hineingieße und ein paar Reste vertilge, kommt der Küchenchef an unseren Tisch.
»Thraxas!« Er streckt erfreut die Hände in die Luft. »Ich hätte wissen müssen, dass Ihr es seid! Wir haben Euch ver-misst!«
Als wir wieder hinausgehen, ist der Kutscher so nass wie die Decke einer Meerjungfrau und sieht so elend aus wie eine niojanische Hure. Kutscher und Miet-Landauer sind berüchtigt für ihre schlechte Laune.
»Zur Bibliothek«, fordere ich ihn auf.
»Ich habe noch nie jemanden mit einem solchen Appetit gesehen«, sagt Kemlath bewundernd, als wir losfahren.
»Ich brauche viel Energie. Schließlich habe ich ernsthafte Ermittlungen zu führen. Und da ich im Augenblick immer wieder im Gefängnis lande, weiß ich nie, wann ich meine nächste Mahlzeit bekomme.«
Ich nehme einen Schluck aus der Flasche, die ich mitgenommen habe.
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