Das Wagenrennen
Ich muss sie austrinken, bevor wir in die Königliche Bibliothek kommen. Ich weiß aus Erfahrung, dass die Bibliothekare sehr empfindlich sind, wenn sich jemand ihren Büchern und Manuskripten mit einer Flasche Bier in der Hand nähert.
»Wen wollt Ihr da treffen?«, will Kemlath wissen, als das gewaltige marmorne Gebäude in Sicht kommt.
»Makri.«
»Ist sie die Frau, die die Orgks getötet hat? Kann sie denn lesen?«
»Und ob sie lesen kann. Und lasst sie nur nicht hören, dass Ihr das anzweifelt. Makri ist eine hingebungsvolle Intellektuelle, und sie reagiert sehr empfindlich auf Männer, die sie damit aufziehen. Abgesehen von mir natürlich, aber immerhin habe ich ihr die Fähigkeiten beigebracht, die sie brauchte, um in der großen Stadt zu überleben.«
»Warum wollt Ihr sie denn jetzt treffen?«
»Weil sie klug ist. Ich werde ihr erzählen, was passiert ist. Vielleicht hat sie eine Idee. Außerdem habe ich gute Neuigkeiten für sie.«
Zu dieser Tageszeit lernt Makri in der Regel in der Bibliothek. Es überrascht natürlich nicht, dass die Angestellten ziemlich bestürzt waren, als eine junge Frau mit Orgk-Blut plötzlich auftauchte und nach Manuskripten über Philosophie und Rhetorik fragte. Da aber die Bibliothek grundsätzlich allen Leuten offen steht, die die Innungshochschule besuchen, mussten sie Makri zulassen. Mittlerweile haben sich die Bibliothekare an sie gewöhnt und freuen sich sogar, Makri zu sehen. Sie mögen jeden, der ihre Arbeit zu schätzen weiß.
Ich lasse Kemlath im Landauer zurück, nachdem ich mich mit ihm eine Stunde später in der Rächenden Axt verabredet habe. Die Königliche Bibliothek ist riesig. Sie besteht aus zwei großen Trakten, die von einer gewaltigen Kuppel in der Mitte verbunden werden, und beherbergt eine der schönsten Büchersammlungen im ganzen Westen.
»Bitte gebt Euren nassen Umhang an der Garderobe ab«, bittet mich der Pförtner.
»Er ist vollkommen trocken«, erwiderte ich und deute darauf.
Das beeindruckt ihn. Alle anderen in der Stadt sind vollkommen durchnässt, und ich spaziere trocken und voller Wohlbehagen herum. Was für ein großartiger Zauberspruch!
Ich gehe in die ausgedehnte Philosophie-Abteilung, die sich im rückwärtigen Teil des Gebäudes befindet. Es stehen und liegen Tausende von Büchern und Manuskripten herum. Kleinere Büsten von Königen, Heiligen und Helden schmücken Nischen in den Wänden, und die Decke ist mit einem großartigen Fresko bemalt, das zeigt, wie Sankt Quaxinius die Orgks vertreibt. Der große Usax hat es gemalt, der beste Künstler, den Turai jemals hervorgebracht hat. Er lebte vor etwa hundert Jahren. Eine Menge Kultur für ein einziges Gebäude. Makri gefällt es. Ich war noch nie hier, bis Makri in die Stadt gekommen ist.
Das war auch einer der Gründe, aus dem sie sich für Turai entschieden hatte. Viel Kultur. Sie hatte darüber hinaus gehört, dass es hier jede Menge Kämpfe gab. Mit beiden Vermutungen lag sie richtig, aber sie hatte nicht erwartet, dass wir so degeneriert wären, wie sie sagt. Andererseits hatte sie auch nicht erwartet, dass allein ihre Figur ihr so viel Geld einbringen würde. Während ihrer Zeit als Gladiatorin wusste sie nicht einmal, wie toll sie aussah. Orgks finden Menschenfrauen nicht sonderlich attraktiv, also hat es ihr keiner gesagt.
Ich finde sie über eine alte Schriftrolle gebeugt. Sie sieht mich misstrauisch an.
»Hast du irgendwo ein Bier versteckt?«
»Natürlich nicht.«
»Letztes Mal hattest du eines. Die Bibliothekarin hat sich mächtig aufgeregt.«
»Diesmal habe ich jedenfalls keines dabei.«
»Du bist nicht sonderlich rücksichtsvoll, Thraxas. Ich muss hier lernen. Dein letzter Auftritt hier war für mich sehr unangenehm, wie du wohl weißt. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, dass du betrunken hier ankommst und Bier über die Manuskripte gießt.«
»Meine Güte, Makri, ich bin gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Ich arbeite an einem Mordfall. Würdest du dir bitte einen anderen Zeitpunkt aussuchen, um mir einen Vortrag zu halten? Ich habe gute Nachrichten für dich.«
Eine Bibliothekarin in einer wallenden Toga eilt auf mich zu und fordert mich auf, leise zu sein und die anderen Leser nicht zu stören. Makri wirft mir einen gereizten Blick zu, steht auf und führt mich in einen kleineren Raum, wo wir uns ungestört unterhalten können.
»Was für gute Nachrichten?«
»Schwert der Vergeltung hat gewonnen.«
Makri stößt einen Freudenschrei aus
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