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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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blitzen. Einige der Ägypter hatten Schußwaffen, aber sie waren nicht so kaltblütig wie unsere Soldaten. Viel zu früh feuerten sie ihre Waffen ab, und nicht ein einziges Stück Blei traf ins Ziel.

    Die glücklosen Schützen konnten nicht anhalten, um ihre Musketen nachzuladen. Die Menge, die wie eine unkontrollierbare Flut in unsere Richtung drängte, riß sie einfach mit. Bonapartes Infanterie dagegen feuerte ihre Salven erst ab, als sie, den Feind klar vor Augen, den Befehl dazu erhielt. Reihenweise fielen die Aufständischen, und die übrigen zogen sich unter dem sich ausbreitenden Pulverqualm in die Vororte zurück.
    »Ein erster Sieg!« jubelte Dommartin.
    »Der noch nichts zu bedeuten hat«, erwiderte Bonaparte. »In der Stadt wird es erst richtig schwierig. Da können die Aufwiegler sich in jedem Haus, hinter jeder Mauer und auf jedem Dach verstecken. Aber es hilft nichts, meine Herren, wir müssen die Rebellion im Keim ersticken, wollen wir verhindern, daß sie sich über das ganze Land ausbreitet.«
    Ich ritt zu Bonaparte, mit dem ich seit unserem Wortwechsel im Tal der Abnaa Al Salieb nicht mehr gesprochen hatte. Er blickte mir halb irritiert, halb unwillig entgegen.
    »Was ist mit Ihrem Palast, Bürger General?«
    »Wie soll ich das wissen?« erwiderte Bonaparte unwirsch. »Ich habe jetzt anderes im Kopf. Vielleicht wird auch mein Haus von den Plünderern …« Er stockte und faßte sich an die Stirn. »Ah, jetzt begreife ich! Sie sorgen sich um Ihre Wüstenrose, Bürger Topart!«
    »Liegt nicht auch Ihnen daran, daß Ihr Palast nicht in feindliche Hände fällt? Sie haben gewiß wichtige Unterlagen dort, Bürger General.«
    »Also gut«, sagte er mit einem vieldeutigen Lächeln.
    »Schlagen Sie sich meinethalben zum Esbekijehplatz durch. Ich gebe Ihnen eine Schwadron Dragoner mit, das muß genügen. Solange die Lage nicht unter Kontrolle ist, kann ich es mir nicht erlauben, meine Kräfte zu zersplittern.«

    Mein Onkel zeigte sich wenig begeistert von dem Plan, ließ sich aber nicht davon abhalten, mich zu begleiten. »Ich habe dich nicht aus der Wüste zurückge-holt, damit du dir in Kairo von Aufständischen den Kopf einschlagen läßt. Also muß ich wohl oder übel auf dich aufpassen!«
    Die Dragonerschwadron wurde von einem Oberleutnant Franval angeführt, der bei Rivoli sein linkes Auge verloren hatte. Die schwarze Augenklappe ließ sein kantiges Soldatengesicht noch martialischer erscheinen. Bevor wir aufbrachen, bestand er darauf, daß sowohl Onkel Jean als auch ich zwei Pistolen erhielten. Ich hoffte, ich würde die Dinger nicht benutzen müssen.
    Franval zog seinen Säbel, rief ein Kommando, und die Schwadron trabte an; mein Onkel und ich mittendrin. Ich hatte noch nie einen Kavallerieangriff geritten, aber als ich das Trommeln der Hufe vernahm und Teil der vorwärtsstürmenden Horde wurde, spürte ich etwas von dem Rausch, der Soldaten im Gefecht ergreifen musste und es wohl erst ermöglichte, daß sie ihr Leben wagten.
    Wir erreichten die ersten Häuser, und jetzt sah ich, woher der unablässige, schrille Singsang kam. Auf den Flachdächern standen Frauen und stießen die weithin hörbaren Laute aus. War es Jubelgeschrei, ein Anfeuern für die Kämpfenden oder eine Totenklage für die Gefallenen? Ich wußte es nicht, aber ich hätte viel dafür gegeben, daß die Frauen endlich schwiegen. Das Geheul erschreckte mich, erinnerte es mich doch daran, wie anders dieses Ägypten war, wie geheimnisvoll und ge-fährlich.
    Als wir zwischen den Häusern entlang galoppierten, wurde aus der Deckung heraus das Feuer auf uns eröffnet. Die meisten Kugeln verfehlten ihr Ziel, aber einige Dragoner wurden doch verwundet.

    Franval achtete darauf, niemanden zurückzulassen.
    »Einen Franzosen hier allein zu lassen, inmitten der rebellierenden Meute, käme einem Todesurteil gleich«, rief der Oberleutnant seinen Männern zu. »Genausogut könnte man ihn einem Rudel hungriger Wölfe vorwer-fen.«
    Nicht mehr weit vom Esbekijehplatz entfernt, sahen wir uns plötzlich einer Barrikade gegenüber, aufgeschichtet aus Möbeln, die man wohl aus den Häusern der Europäer geraubt hatte. Dahinter erhoben sich Aufständische, um uns mit einem Geschoßhagel zu empfangen. Nur einige schossen mit Musketen oder Pistolen, die anderen warfen mit Steinen nach uns. Ein faustgroßer Stein traf meinen Onkel am Kopf. Er schwankte und verlor seinen Hut, hielt sich aber im Sattel. Ich brachte mein Pferd neben das seine, um ihn im

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