Das Wahre Kreuz
sie in einer Verbindung zu den Beduinen hier?«
»Davon weiß ich nichts«, log ich und hoffte, daß Onkel Jean es nicht bemerkte.
In der Nacht träumte ich von Ourida, und anfangs war es ein schöner Traum. Sie lächelte mich an und nahm mich bei den Händen, damit ich ihr folgte. Ich aber konnte mich nicht rühren, meine Füße waren wie am Boden festgewachsen. Eine große Kraft, gleich einem Chamsin, riß Ourida von mir fort. Sie flog durch die Lüfte und wurde immer kleiner, bis sie schließlich in der Ferne verschwand. Das letzte, was ich von ihr sah, war ihr entsetztes Gesicht.
Ich erwachte mit pochendem Herzen, erfüllt von Panik, von Angst um Ourida. Ich lag auf einem zerwühlten Feldbett, und neben mir schlief ruhig mein Onkel.
Hatte mein schlechtes Gewissen ihm gegenüber mir den Alptraum beschert? Ich versuchte, mir das einzureden, aber es wollte mir nicht gelingen.
Bis zum Morgengrauen wälzte ich mich unruhig von einer Seite auf die andere, ohne rechten Schlaf zu finden. In mir hatte sich das beklemmende Gefühl festge-setzt, daß Ourida in großer Gefahr schwebte.
31. KAPITEL
Der Aufstand
m dritten Tag nach dem Angriff auf das Tal der A Beduinen bewegte sich unsere langgezogene Marschkolonne aus Soldaten, Pferden und Hunderten von Lastkamelen auf Kairo zu, das wir noch in den Vormittagsstunden zu erreichen hofften.
Wir hätten auch schon einen Tag eher ankommen können, hätte General Bonaparte nicht mit Rücksicht auf die von dem Wüstenmarsch erschöpften Soldaten ein frühes Abendlager befohlen. Er selbst ritt an der Spitze der Truppen auf einem hellen, fast weißen Kamel, als wolle er seinen Männern zeigen, wie hervorragend sich dieses Tier zur Durchquerung der Wüste eignete. Vermutlich beschäftigte sich sein stets planender Geist mit dem Kamelkorps, das er nach General Lannes’ Worten aufstellen wollte.
Auch der Bonaparte treuergebene Lannes saß auf einem hellen Kamel. Alle anderen Offiziere sowie mein Onkel und ich bevorzugten den Pferderücken, der uns nicht so schwankend erschien wie der eines Kamels. Als vor uns eine kleine Staubwolke auftauchte, gab Bonaparte den Befehl zum Halten und blickte durch sein Fernrohr.
»Es ist Dommartin mit einer Dragonereskorte!«
stellte er erstaunt fest. »Sie haben es eilig und kommen im Galopp auf uns zu.«
»Offenbar haben sie eine wichtige Botschaft für uns«, meinte Lannes.
Bonaparte nickte. »Eine sehr wichtige, wenn Dommartin persönlich den Kurier spielt.«
Ich kannte Dommartin nur vom Sehen. Der noch junge General – er mochte allenfalls Anfang Dreißig sein – war in Bonapartes Ägyptenarmee der Oberbefehlshaber der Artillerie; ein Posten, den er zuvor in der Rheinarmee bekleidet hatte. Es hieß, daß Bonaparte seit der Belagerung von Toulon große Stücke auf ihn hielt.
Das mußte wohl so sein, denn Bonaparte, mit Leib und Seele Artillerist, hätte seine geliebten Kanonen niemandem überantwortet, der nicht sein vollstes Vertrauen genoß.
Bald konnte ich die Reiter mit bloßem Auge erkennen, an ihrer Spitze tatsächlich Dommartin. Das helle Haar quoll unter seinem Hut hervor und reichte ihm fast bis auf die Schultern.
Als seine Begleiter und er ihre Pferde vor uns zügelten, sah man Männern und Tieren die Erschöpfung an.
Schaum troff den Pferden aus den Maulwinkeln, und die Reiter waren vor Schweiß so naß, als hätten sie ein Bad genommen. »General Bonaparte, was für ein Glück!« keuchte Dommartin. »Eine Karawane hat Ihre Truppe gestern nachmittag gesichtet. Nur deshalb hatte ich Hoffnung, ein Gewaltritt könnte mich schnell zu Ihnen führen.«
Bonaparte beugte sich vor und reichte Dommartin seine Feldflasche. »Trinken Sie erst mal einen Schluck, aber nicht zu hastig bei der Hitze! Und dann erzählen Sie in Ruhe, was Sie herführt. Und ihr, Dragoner, gönnt euch und euren Pferden auch einen ordentlichen Schluck Wasser!« Das ließen die Männer sich nicht zweimal sagen; eilig griffen sie zu ihren Flaschen.
»Etwas Entsetzliches ist geschehen«, berichtete Dommartin, nachdem er die Feldflasche abgesetzt und Bonaparte zurückgegeben hatte. »In Kairo ist ein Aufstand ausgebrochen. General Dupuy – er ist tot!«
Bestürzung trat auf die Gesichter unserer Offiziere.
Dupuy war der Stadtkommandant von Kairo gewesen.
Sein Tod bedeutete, daß der Aufstand, von dem Dommartin sprach, eine ernstzunehmende Angelegenheit war.
»Was ist mit ihm geschehen?« fragte Bonaparte.
»Die Stimmung in Kairo ist kritisch«,
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