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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Bücher hatten wir aus Frankreich mitgebracht, der größere Teil stammte aus Häusern derjenigen Europäer, die vor Bonapartes Truppen geflohen waren. Ich erinnerte mich genau daran, mit welcher Sorgfalt Onkel Jean die Bände zusammengetragen hatte. Während wir in der Tür zur Bibliothek standen und auf das Chaos blickten, merkte ich, wie mein Onkel am ganzen Leib zu zittern begann. Ich wußte, was er empfand. Der Anblick versetzte ihn zurück in die zerstörte Klosterbibliothek, nachdem der Mob St. Jacques gestürmt hatte. Damals wie an diesem Abend war es unfaßbar für ihn, wie Menschen sich an Büchern und Kunstschätzen vergreifen konnten, an dem, was, wie er einmal gesagt hatte, ihre Kultur und ihr Wesen aus-machte. Tröstend legte ich einen Arm um seine Schultern und brachte ihn mit sanftem Druck dazu, den Blick von dem elenden Bild abzuwenden.
    In der Küche fanden wir zwischen all den zerschla-genen Weinflaschen eine, die heil geblieben war, dazu kaltes Fleisch und einen Brotlaib, was man unter den gegebenen Umständen als fürstliche Mahlzeit bezeichnen konnte.
    Einen Teil davon brachten wir unserer Eskorte: den beiden Dragonern, die uns für die Nacht auch als Wachtposten zugeteilt waren.
    Der große Tisch im Salon stand nahezu unbeschadet an seinem gewohnten Platz, und auch zwei Stühle waren heil geblieben. Schweigend nahmen wir unsere Mahlzeit ein, und ich dachte an jenen Abend, an dem wir die Generäle Bonaparte, Berthier und Lannes hier bewirtet hatten und ich so ärgerlich gewesen war über Bonapartes Verhalten Ourida gegenüber. Wie gern hät-te ich jetzt wieder alles so gehabt wie an jenem Abend, selbst Bonapartes Avancen eingeschlossen. Dann hätte ich doch wenigstens gewußt, daß Ourida am Leben war!

    Unvermittelt sprang ich auf, so heftig, daß der Tisch erzitterte.
    »Was ist mit dir?« fragte Onkel Jean. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist erblickt!«
    »Ich habe an Ourida gedacht, Onkel. Wissen Sie noch, wie wir sie schon einmal entführt glaubten? Und dabei hatte sie sich in meinem Zimmer verkrochen!«
    »Wie könnte ich das vergessen? Schließlich haben wir alles nach ihr abgesucht und sogar …« Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, so laut, daß es ein klatschendes Geräusch gab. »Maria und Josef, jetzt verstehe ich! Du meinst, sie könnte sich hierher geflüchtet haben?«
    »Ja! Vielleicht konnte sie entkommen.«
    »Aber wenn sie hier wäre, müßte sie uns gehört haben.«
    »Und wenn sie uns für Aufrührer hält oder für jene, die hinter ihr her sind?«
    Nun erhob sich auch mein Onkel und nahm die Laterne hoch, die wir auf den Tisch gestellt hatten. »Laß uns als erstes in deinem Zimmer suchen!«
    Dort mußten wir enttäuscht feststellen, daß wir uns geirrt hatten. Anschließend nahmen wir uns der Reihe nach alle Räume vor, in denen wir seit unserer Rückkehr noch nicht gewesen waren, doch wir fanden sie nicht. Wir liefen hinaus in den Garten und riefen mehrmals Ouridas Namen, aber nicht Ourida lockten wir damit an, sondern die beiden Wachtposten, die halfen, den Rest des Geländes und die Stallungen abzu-suchen. Ourida blieb verschwunden.
    »Verlier nicht den Mut!« sagte Onkel Jean, als wir wieder im Salon saßen. »Dein Einfall war gut. Und wer weiß, vielleicht kommt Ourida doch noch hierher.«
    »Oder ich habe sie ganz verloren, wieder einmal.«
    Mein Onkel stützte das Kinn auf die rechte Faust und musterte mich zweifelnd. »Wieder einmal? Was soll das heißen, Bastien?«
    »Ach, nichts.«
    Onkel Jean lächelte. »Du mußt mir nicht sagen, was du mir nicht sagen möchtest. Nein, nein, streite es nicht ab, mein Junge! Ich spüre schon seit geraumer Zeit, daß du etwas vor mir verheimlichst. Vergiß nicht, ich kenne dich von Kindheit an. Wenn du als Knabe im Kloster etwas ausgefressen hattest und es nicht zugeben wolltest, hattest du auch diesen verschleierten Blick, als wolltest du verhindern, daß dir jemand in die Seele schaut. Ich grolle dir nicht, Bastien. Ein erwachsener Mann soll seine Geheimnisse haben. Du sollst nur wissen, daß du dich mir anvertrauen kannst, wann immer du es möchtest.«
    Diese Worte berührten mich tief, und sie beschämten mich. Onkel Jean war der einzige Mensch, dem ich seit meiner Kindheit bedingungslos vertrauen konnte, ich aber hatte mich vor ihm verschlossen.
    Außerdem war er ein sehr kluger, gebildeter Mann, der sich in der Geschichte des Heiligen Landes hervorr-ragend auskannte. Ich hatte niemanden sonst, mit

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