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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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antwortete Dommartin. »Viele Einwohner beschweren sich über die ihnen auferlegten Steuern. Es geht das Gerücht, daß sich die türkische Armee, unterstützt von mehreren Beduinenstämmen, auf die Stadt zubewegt, um sie uns zu entreißen.«
    »Das ist Unsinn!« bellte Bonaparte. »Die Türken haben uns den Krieg erklärt, das ist wahr, aber sie haben hier keine Truppen stehen, nirgends. Was die Beduinen betrifft, so mag es einzelne rebellische Stämme geben. Aber erst vor drei Tagen haben wir bewiesen, daß wir die nicht fürchten müssen. Also weiter, Dommartin, erzählen Sie!«
    »Heute morgen sollte unter großer öffentlicher An-teilnahme eine Gerichtsverhandlung stattfinden, und
    …«
    »Wer hat wen verklagt?« fragte Bonaparte, der immer alles genau wissen wollte, dazwischen.
    »Einige Kaufmannsgilden haben den Großen Diwan verklagt, weil der ihnen einen Beitrag zum Unterhalt unserer Truppen auferlegt hat. Eine unüberschaubare Menschenmenge war zusammengekommen, um die Verhandlung zu verfolgen. Immer wieder wurden antif-ranzösische Parolen ausgerufen, und die Menge hat sie mit wachsender Begeisterung aufgenommen. Es war, als bräche jedweder Ärger, der sich in den Einheimischen aufgestaut hat, mit einer gewaltigen Explosion hervor. Es wurde über die Steuern geklagt und darüber, daß wir Häuser und Moscheen eingerissen haben, um die Verteidigungsanlagen zu verstärken.«
    »Das alles war notwendig, um die Stadt gegen einen möglichen Angriff zu verteidigen!« schnaubte Bonaparte. »Die Ägypter sehen das wohl ein wenig anders«, fuhr Dommartin fort. »Als Dupuy erkannte, wie ge-fährlich die Stimmung wurde, bat er den Kadi, die Verhandlung zu vertagen, und der Kadi war einverstanden.
    Aber zu spät. Ein Araber erschoß einen Dragoner aus Dupuys Begleitung, woraufhin es zu einem Kampf kam.
    Dupuy und seine Dragoner konnten die Lage unter Kontrolle bringen, doch als sie den Gerichtshof verlie-
    ßen, wurde Dupuy an einer Straßenecke von einem tödlichen Lanzenstich getroffen. In Kairo hat sich daraufhin das Gerücht verbreitet, nicht Dupuy sei tot, sondern Sie, General Bonaparte. Das haben die Muez-zin zum Anlaß genommen, alle Gläubigen zum Kampf um Kairo aufzurufen, und jetzt herrscht in der Stadt das reine Chaos. Die Häuser von Europäern und von jenen Ägyptern, die mit uns sympathisieren, werden gestürmt, geplündert und auch in Brand gesteckt. Ich weiß nicht, wohin das führen soll, wenn nicht bald etwas geschieht. Sie müssen so schnell wie möglich nach Kairo kommen, Bürger General! Man hält Sie für tot.
    Wenn die Aufständischen Sie erblicken, kommen sie vielleicht zur Vernunft!«
    »Sie haben recht, Dommartin«, erwiderte Bonaparte und wandte sich an seine Offiziere, um ihnen die not-wendigen Befehle zu erteilen.
    Er selbst wollte sich mit Kavallerie und Infanterie in einem Eilmarsch nach Kairo begeben, die schwerfällige Artillerie und der Kameltroß sollten folgen. Onkel Jean und ich lehnten das Angebot ab, beim Troß zu bleiben.
    Meinen Onkel mochte die Furcht um unser Haus und seine wertvollen Bücher antreiben.
    Bei mir war es die Sorge um Ourida. Der Alptraum, der mich in der letzten im Beduinental verbrachten Nacht heimgesucht hatte, beschäftigte mich. War er eine Warnung gewesen ähnlich der, die sechshundert Jahre zuvor die erste Ourida gespürt hatte, als Gilbert d’Alamar und seine Gefährten ihre Familie ermordet hatten?
    Kehrten wir, was Ourida betraf, zu spät nach Kairo zu-rück? Der Gedanke brachte mich fast um den Verstand.
    Ich ritt neben Dommartin und fragte ihn, ob die Aufständischen auch Bonapartes Palast gestürmt hätten, aber darüber konnte er mir nichts sagen.

    Schon von weitem sahen wir über den Dächern und vierhundert Minaretten Kairos Rauchwolken in den blauen Himmel steigen. An mehreren Stellen der Stadt mußten Feuer ausgebrochen sein. Erst hörten wir Geschützdonner, dann auch das Knattern von Musketen sowie einen seltsamen Singsang, melodisch und doch so schrill, daß er durch Mark und Bein ging. Ein Ge-räusch, wie ich es noch nie gehört hatte.
    Aus den Vororten wälzte sich uns eine ungeordnete Menschenmenge entgegen. Bonaparte, der – ebenso wie Lannes – sein Kamel durch ein Pferd ersetzt hatte, betrachtete sie durch sein Fernrohr.
    »Rebellen«, stellte er fest und befahl seinen Offizieren, die Infanterie in Stellung zu bringen.
    Unter lautem Geschrei kamen die Aufständischen auf uns zu, und ich sah etliche blanke Klingen im Mor-genlicht

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