Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
Notfall zu stützen, doch das schien nicht nötig zu sein. Zwar lief Blut über seine Wange, aber seine robu-ste Natur gewann rasch die Oberhand.
    »Ist es schlimm, Onkel?« fragte ich laut, um den allgemeinen Lärm zu übertönen.
    Er lächelte tapfer. »Nicht so schlimm, wie es aussieht. Wäre das kein Stein gewesen, sondern eine Blei-kugel, sähe es übler aus.«
    Inzwischen hatten einige Dragoner ihr Pferd über die Barrikade springen lassen und hieben mit dem Säbel auf alles ein, was sich bewegte. Wer von den Verteidigern zu Boden ging, geriet unter die stampfenden Hufe der Soldatenpferde. Binnen weniger Minuten war auch der letzte Rebell getötet, und die Barrikade fiel. Angeführt von Franval, der eine leichte Schulterverletzung davongetragen hatte, setzten wir unseren Weg fort.
    Sobald vor uns der Esbekijehplatz mit dem beeindruckenden Palast auftauchte, der ursprünglich Elfi Bey, dem Pascha von Kairo, gehört und in dem nach der Eroberung der Stadt Bonaparte sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, schlug mein Herz höher. Ich war hin-und hergerissen zwischen der Freude darüber, daß ich Ourida bald wiedersehen würde, und der Furcht, mein Alptraum könnte sich bewahrheiten. Als ich die eingeschlagenen Fensterscheiben und dann vor dem Palast die reglos im Staub liegenden Soldaten sah, gewann die Furcht die Oberhand.
    Wir hörten Schüsse irgendwo aus dem Palast, und Franval rief: »Sieht so aus, als kämen wir gerade noch rechtzeitig.«
    »Oder wir kommen einen Augenblick zu spät«, erwiderte ich, von einer düsteren Vorahnung erfüllt. Der Oberleutnant ließ seine Männer absitzen. Ein paar Dragoner bildeten draußen eine Abwehrstellung, die anderen drangen unter Franvals Führung in das Ge-bäude ein. Onkel Jean und ich schlossen uns der zweiten Gruppe an. Wir liefen über Treppen und durch endlose Gänge. Überall sah ich Spuren des Kampfes und der Verwüstung. Als wir um eine Ecke bogen, flogen uns Kugeln um die Ohren. Französische Grenadiere feuerten auf eine Horde Aufständischer, die sich am Ende des Ganges verschanzt hatten. Als die Karabiner der Dragoner hinzukamen, war es schnell entschieden.
    Die meisten Plünderer fielen, die anderen zogen sich eilig zurück.
    Ein rothaariger Sergeant, der aus einer häßlichen Stirnwunde blutete, war der ranghöchste der Grenadiere. Wir fragten ihn, was sich ereignet hatte.
    Er schüttelte den Kopf, als könne er es selbst nicht ganz begreifen. »Es ging alles so schnell. Wir dachten, die Verteidigungsgürtel rund um den Palast würden halten. Aber auf einmal waren sie da, die Rebellen, fielen von allen Seiten über uns her, als hätten sie sich abgesprochen. Durch sämtliche Türen und Fenster strömten sie herein, unaufhaltsam, wie Wasser in ein leckes Schiff.«
    Er hockte sich auf den Boden, lehnte den Rücken gegen die Wand und band ein schmutziges Tuch um seinen Kopf. Dann blickte er Franval an. »Wären Sie nicht gekommen, Oberleutnant, es wäre wohl aus gewesen!«
    »Was ist mit Ourida?« Ich konnte nicht länger warten.
    »Mit wem?«
    »Das Beduinenmädchen«, erklärte mein Onkel. »Wo hält es sich auf?«
    »Sie ist im rückwärtigen Teil des Palastes untergeb-racht. Soll ich Sie hinführen?«
    »Ja, bitte, Sergeant!« sagte ich hastig.
    Ächzend erhob er sich, und wir folgten ihm, Onkel Jean und ich, Franval und einige weitere Dragoner.
    Auch in dem Trakt, in den der Sergeant uns brachte, war gekämpft worden. Wir mußten über Tote und Verletzte steigen, um zu Ouridas Tür zu gelangen.
    »Von innen verriegelt«, sagte der Sergeant, der versucht hatte, sie zu öffnen.
    Ich klopfte gegen die Tür und rief laut nach Ourida, aber alles blieb still.
    Franval gab seinen Dragonern einen Wink. »Aufbrechen, schnell!«
    Drei-, viermal warfen sich die kräftigen Soldaten gegen die Tür, dann sprang sie auf. Wir stürmten ins Zimmer, aber Ourida war nicht da. Ein großes Fenster, das zum Garten hinausging, war eingeschlagen.
    »Vielleicht ist sie in den Garten geflohen, als sie den Kampflärm hörte«, sagte der Oberleutnant.
    Mein Onkel blieb vor den Scherben stehen und schüttelte den Kopf. »Nein, sehen Sie doch. Die Scherben liegen im Zimmer, nicht draußen. Das Fenster ist also von außen eingeschlagen worden; da wollte jemand einsteigen. Ich fürchte, Ourida ist entführt worden.«
    Ich dachte an den Vorfall in unserem Garten, als der Wachtposten auf einen Unbekannten geschossen hatte.
    Was wir damals nur angenommen hatten, schien jetzt tatsächlich

Weitere Kostenlose Bücher