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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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schaffen. Die Hitze tat ein übriges. Ich trank regelmäßig, aber nur in kleinen Mengen, und auch mein treues Pferd erhielt seine Rationen. Dennoch merkte ich, wie die Sonne mich ausdörrte. Ich konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen.
    Dankbar begrüßte ich die Nacht, die eine anfangs willkommene Abkühlung mit sich brachte. Bis es so kalt wurde, daß ich meinen Mantel überziehen mußte.

    Als ich weiterritt, erzählte ich dem Braunen alles, was er sich schon in der vergangenen Nacht hatte anhören müssen, noch einmal, aber irgendwann war ich selbst dazu zu müde.

    Ein harter Schlag ließ mich zusammenfahren. Der Schmerz brannte in meiner rechten Seite, auf der ich lag. Ich blickte in den sternengesprenkelten Nachthimmel und in die Augen meines Pferdes, das mich neugierig ansah. Allmählich begriff ich: Ich war im Sattel eingeschlafen und vom Pferd gefallen. Fluchend erhob ich mich, konnte aber erleichtert feststellen, daß meine Knochen noch heil waren. Der Schmerz in der Seite ging vermutlich auf leichtere Prellungen zurück.
    Vorwurfsvoll sagte ich zu dem Braunen: »Du hättest ruhig ein Wort sagen können! Läßt mich einfach eindö-
    sen! Warst wohl froh, daß ich dich nicht länger mit meinen Geschichten gelangweilt habe, was?«
    Der Braune verzog das Maul, und für mich sah es aus wie ein Grinsen.
    Wie lange hatte ich wohl im Sattel geschlafen? Möglicherweise war ich schon geraume Zeit in eine falsche Richtung geritten?
    Ich zog den Kompaß aus der Rocktasche und klappte den Deckel hoch. Mein Herz blieb fast stehen, als ich das Unheil sah: Der Kompaß war zerstört, die Nadel abgebrochen. Das mußte bei meinem Sturz passiert sein.
    Ärgerlich ließ ich den Kompaß einfach fallen. Er konnte mir nichts mehr nutzen.
    Wenn meine Berechnungen stimmten, war ich nicht mehr weit von der alten Araberfestung entfernt. Ich hatte gehofft, sie noch in dieser Nacht zu erreichen, aber jetzt, ohne den Kompaß, sah ich keine Möglichkeit, die richtige Richtung zu finden. Ich mußte bis zum Morgen warten, dann konnte ich mich am Stand der Sonne wenigstens grob orientieren. Etwas Ruhe würde dem Braunen und mir zweifellos guttun, aber ich verlor dadurch wertvolle Zeit, vielleicht gar meinen gesamten Vorsprung.
    Das Gebiet, in dem ich mich aufhielt, war hügelig und deshalb schwer zu überblicken; es erschien mir wie ein von Riesenhand erbauter, steinerner Irrgarten. Mein Blick glitt über die felsige Landschaft, und ich dachte an Ourida, die ich dort irgendwo vermutete. Aber wo genau war sie? Mich fror. Ich fühlte mich allein und vom Schicksal ungerecht behandelt. Vor sechshundert Jahren hatte Roland de Giraud in der Wüste sein Leben geopfert, um seine Ourida zu retten. Ich sollte, wie es aussah, nicht einmal die Gelegenheit dazu erhalten.
    Als die Verzweiflung mich zu übermannen drohte, bemerkte ich einen seltsamen Stern am Himmel, der mir vorher nicht aufgefallen war und doch größer und heller zu sein schien als die anderen. Wollte er mir den Weg weisen? Natürlich war das ein verrückter Gedanke, aber ich faßte neuen Mut. Wenn ich bis Tagesanb-ruch hier wartete, würden die Stunden ungenutzt ver-rinnen. Also stieg ich wieder in den Sattel und ritt auf den Stern zu. Möglicherweise hatte der lange, einsame Wüstenritt meine Gedanken verwirrt, aber dem leuchtenden Stern zu folgen erschien mir nicht weniger vernünftig als alles andere.
    Stunde um Stunde verging, während ich meinem Stern entgegenritt. Das Gebiet wurde schroffer und unzugänglicher, und schon seit geraumer Zeit ging es bergan, bis sich vor mir ein langgestrecktes Tal auftat.
    In dessen Mitte ragte ein einzelner Hügel mit seltsamen Gebäuden auf: runde Türme, die nicht im mindesten arabisch aussahen. Dank Onkel Jean verstand ich genug von alter Architektur, um die römische Bauweise zu erkennen.

    Allmählich begriff ich, daß der schraffierte Turm auf Marufs Landkarte nicht für den begonnenen Neubau einer Festung stand, sondern für eine alte römische Befestigung, deren Instandsetzung in Erwägung gezogen worden war. Für mich gab es keinen Zweifel: Ich hatte gefunden, was ich suchte.

36. KAPITEL
    Die Festung
    e näher ich der Festung kam, desto unsicherer wurde J ich und desto öfter fragte ich mich, ob ich mich vielleicht doch getäuscht hatte. Am Himmel über den alten Mauern stand der leuchtende Stern, aber das Bauwerk selbst lag dunkel und still vor mir. Nicht ein einziges Licht brannte, und kein Laut zeugte von möglichen

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