Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
gekommen sind, haben wir den größten Teil der uns noch verbliebenen Brüder verloren. Jetzt sind wir sechs an der Zahl, genauso viele wie damals, als die Väter unseres Ordens den Auftrag erhielten, das Wahre Kreuz zu retten. Aber dann hat einer namens Roland de Giraud die anderen verraten, und sie waren nur noch zu fünft.«
    Was ich da zu hören bekam, erschien mir unglaublich. War der von den Abnaa Al Salieb so gefürchtete Orden wirklich nur noch ein Schatten seiner selbst?
    Andererseits, warum sollte der Großmeister mich be-lügen? Und zu dem, was er sagte, paßte auch der Zustand der Festung. Die Kreuzritter stellten aus einem ganz einfachen Grund keine Wachen auf: Sie hatten keine Männer dafür übrig.

    Der Großmeister nannte die Namen seiner Brüder, aber ich war von ihrem plötzlichen Erscheinen noch so verwirrt, daß ich mir nur einprägte, wie der Entstellte hieß: Roger de Montjean.
    »Sie sind sehr höflich zu mir«, sagte ich, nicht ganz ohne Sarkasmus. »Als Ihre Brüder meine Begleiter und mich in der Wüste angriffen, wollten sie mich töten.
    Heben Sie sich das jetzt für später auf?«
    Du Lac hob beschwichtigend die Hände. »Sie sollten nicht getötet werden, aber ein Kampf hat seine eigenen Gesetze. Der Blutrausch ist manchmal stärker als die Vernunft, auch wenn es eine Sünde ist.«
    »Der Blutrausch? Der war wohl auch im Tempel stärker, als Ihre Brüder die Beduinen abgeschlachtet haben!«
    »Ihr Urteil ist sehr einseitig«, erwiderte der Groß-
    meister, der trotz meiner Vorwürfe ruhig blieb. »Wir kämpfen seit Jahrhunderten gegen die Abnaa Al Salieb.
    Glauben Sie mir, hätten die Beduinen uns überrascht, sie hätten uns auch nicht geschont! Wir sollten in Ruhe miteinander sprechen, alles andere führt zu nichts.«
    »Wie Sie wünschen«, sagte ich kühl und wußte doch, daß mir nichts anderes übrigblieb, wollte ich Ourida finden. Die Kreuzritter setzten sich zu mir an den Tisch, und du Lac sagte zu dem Ägypter: »Ibrahim, bring uns Wasser und Wein!«
    Ich sah Ibrahim nach, als er den Saal verließ, und fragte: »Warum spricht er nicht? Hat er auch keine Zunge wie die anderen?«
    »Sie haben es erraten«, antwortete der Großmeister.
    »Auch Ibrahim und die Seinen waren einmal viele, und jetzt lebt nur noch eine Handvoll von ihnen hier mit uns.«
    »Sind sie Muslime oder Christen?«
    »Sie sind zu unserem Glauben übergetreten, weil unser Gott ein Gott der Gnade ist. Wollen Sie wissen, warum die Stummen auf unserer Seite stehen? Sie haben gegen die Mameluckenherrschaft aufbegehrt. Nein, sie waren keine Verschwörer. Sie haben es nur gewagt, lauthals das anzuprangern, was an den Gesetzen der Mamelucken ungerecht und bloße Willkür war. Aber das hat genügt, sie mitsamt ihren Familien in die Ver-bannung zu schicken. Und vorher ist allen Männern die Zunge herausgeschnitten worden, damit sie ihre Stimme nicht noch einmal gegen die Mamelucken erheben konnten. Ohne Wasser und Verpflegung wurden sie in die Wüste geschickt, wo ihre kleinen Kinder starben und wo auch alle anderen elend zugrunde gegangen wären, hätten wir sie nicht gefunden. Seitdem dienen sie uns mit einer Treue, die ihresgleichen sucht.«
    »Das kann man wohl sagen«, schnaubte ich. »Auch vor Entführung und Mord schrecken sie nicht zurück.
    Ourida ist doch hier, oder?«
    Gespannt wartete ich auf die Antwort des Großmeisters, aber der ließ sich Zeit, bis Ibrahim ein Tablett mit zwei Karaffen und sieben Bechern auf den Tisch gestellt hatte. Dann endlich sagte er: »Ja, die Frau, die Sie suchen, ist hier. Und es geht ihr den Umständen entsprechend gut.«
    Ich war erleichtert und beunruhigt zugleich. »Was heißt das, den Umständen entsprechend?«
    Statt des Großmeisters antwortete de Montjean:
    »Wir haben sie nicht gerade wie Porzellan behandelt.
    Schließlich ist sie eine vom Stamm der Kreuzräuber!«
    »Sie nennen sich Abnaa al Salieb, die Söhne des Kreuzes!«
    »Sie mögen sich nennen, wie sie wollen«, schnarrte de Montjean. »Das ändert nichts an dem, was sie sind.
    Sie haben der Christenheit das Wahre Kreuz geraubt!«
    »Es ist alles eine Frage des Standpunktes«, griff der Großmeister mäßigend ein. »Für uns sind die Beduinen Räuber, für unseren Gast hier sind unsere stummen Verbündeten Entführer und Mörder.«
    »Aber so ist es doch auch«, sagte ich. »Haben sie nicht in Ihrem Auftrag Ourida entführt und den alten Abul ermordet?«
    »Abul?« fragte du Lac.
    »Den Führer, der uns den

Weitere Kostenlose Bücher