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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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heimgekehrt ist. Ja, Heimkehr, so fühlte es sich am ehesten an. Mit Ourida in meinen Armen fühlte ich mich daheim. Sie schien mir vertraut wie kein anderer Mensch, obwohl ich sie doch erst seit wenigen Tagen kannte. Und, noch seltsamer, ihr schien es ähnlich zu gehen.
    Irgendwann hob sie den Kopf und sah mir in die Augen. Dieser Blick berührte mich zutiefst, erschütterte mich fast, und doch vermochte ich ihn nicht zu deuten.
    War Zuneigung der vorherrschende Ausdruck, oder war es etwas ganz anderes? Fast erschien mir ihr Blick wie ein stummer Hilferuf.
    Während ich noch darüber nachdachte, wurde ich von einem Schwindelgefühl ergriffen, und das Zimmer begann sich um mich zu drehen. Ich wollte nach einem Bettpfosten greifen, um mich festzuhalten, doch dann hielt ich plötzlich ein Schwert in der Hand, schwer und nach mittelalterlicher Art gefertigt.

    Mein Zimmer mitsamt der Einrichtung war verschwunden. Aber Ourida stand noch immer an meiner Seite, wenn sie jetzt auch ein anderes, dunkleres Gewand trug. Und noch immer haftete ihr Blick auf mir.
    Jetzt erkannte ich den besorgten Ausdruck in ihren dunklen Augen. Nein, es war mehr als Sorge, es war Angst. Ich wollte sie nach dem Grund fragen, aber sie bedeutete mir zu schweigen. Ich verstand, warum. Hufgetrappel und das Wiehern von Pferden drangen an meine Ohren. Und noch ein Geräusch, schwer und metallisch, das Klirren von Waffen und Rüstungen. Wir standen unter einem sternengeschmückten Nachthimmel im Freien, und ein kalter Windstoß ließ mich frö-
    steln, obwohl ein schweres Kettenhemd meinen Leib bedeckte. Ich wußte, daß von den nahenden Reitern Gefahr drohte, und hob das Schwert, um Ourida und mich zu verteidigen.
    »Sie sind in der Überzahl, Liebster. Laß uns von diesem Ort fliehen, solange wir es noch können!«
    Ouridas Worte verwirrten mich. Ich hätte nicht sagen können, welcher Sprache sie sich bediente, aber ich hatte sie deutlich verstanden. Plötzlich sprach sie zu mir und nannte mich ihren Liebsten!

    Schritte kamen näher, und Rufe drangen undeutlich an mein Ohr. Ich stand nicht länger unter einem Nachthimmel, trug nicht länger Schwert und Rüstung eines Kriegers aus vergangener Zeit. Ich war wieder der Zeichner Bastien Topart in seinem Kairoer Zimmer.
    Mit einer Hand umklammerte ich einen Bettpfosten, die andere hielt Ourida fest. Die Tür wurde aufgesto-
    ßen, und mein Onkel trat ein. Als sein Blick auf uns fiel, ließ ich Ourida los, aber er mußte gesehen haben, wie vertraut unsere Umarmung war. Selten hatte ich ihn sprachlos erlebt, aber jetzt stand er mit halboffe-nem Mund vor mir, und sein Blick wanderte zwischen Ourida und mir hin und her.
    »Bei allen Heiligen, was hat das zu bedeuten?« entfuhr es ihm schließlich. »Wir suchen das ganze Haus nach Ourida ab. Wir rufen nach dir, und du antwortest nicht. Und jetzt steht ihr beide seelenruhig hier?«
    Offenbar waren einige Minuten vergangen, ohne daß es mir bewußt geworden war. Mein seltsamer Ausflug in eine andere Zeit, ein Traum oder was immer es gewesen war, mußte länger gedauert haben, als es mir vorkam.
    »Ich habe Ourida hier gefunden«, erklärte ich. »Sie hatte sich unter meinem Bett versteckt.«
    »Ourida scheint sich dir recht nahe zu fühlen«, brummte Onkel Jean. »Hat sie etwas gesagt?«
    Ich dachte an die seltsame Vision und hörte wieder ihre Worte, aber ich antwortete: »Nein, Onkel, gar nichts.«
    War es eine Lüge? In gewisser Hinsicht schon, er-wähnte ich doch die Vision mit keinem Wort. Auch das Verschweigen der ganzen Wahrheit ist eine Lüge, hatte ich im Kloster St. Jacques gelernt. Ich fragte mich, warum ich Onkel Jean etwas verheimlichte, und konnte es mir nur mit dem unbestimmten Gefühl erklären, daß ich mein Erlebnis nicht preisgeben durfte, wollte ich Ourida beschützen.

8. KAPITEL
    Der Sultan des Feuers
    ls Onkel Jean und ich uns am Nachmittag auf den A Weg zu Maruf ibn Saad machten, um ihn zu unserem gemeinsamen Besuch in der Bibliothek des Ägyptischen Instituts abzuholen, verließ ich unser Haus mit gemischten Gefühlen.
    Mein Onkel bemerkte meinen zweifelnden Blick zu-rück. »Was hast du, Bastien? Fällt es dir schwer, unseren Gast allein zu lassen?«
    »Vielleicht schwebt Ourida wirklich in Gefahr. Auch wenn das heute vormittag ein falscher Alarm gewesen sein sollte, könnten diejenigen, die ihr im Tempel das Leben nehmen wollten, ihren Plan weiterverfolgen.
    Außerdem wissen wir nicht, auf wen der Soldat im Garten wirklich geschossen

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