Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
be-wachten, gerade den Ladestock in den Lauf seiner Muskete schieben.
    »Was ist geschehen?« fragte ich.
    »Jemand hat sich zwischen den Büschen herumget-rieben. Sah so aus, als wollte er von hinten ins Haus einsteigen. Als ich ihn anrief, lief er davon. Meine Kugel hat ihn verfehlt, leider!«
    »Sie haben ihn nicht erkannt?« fragte Onkel Jean.
    »Nein, Professor. Aber der Kleidung nach war es ein Ägypter.«
    Ich wandte mich meinem Onkel zu. »Als Maruf ibn Saad die Schriftrolle holen ging, könnte er einen seiner Diener beauftragt haben, Ourida zu entführen.« Ich schluckte, als ein schrecklicher Gedanke in mir aufkam.
    »Oder sie zu töten!«
    »Vielleicht ist an deinem Verdacht etwas dran, vielleicht war es aber auch nur ein Zufall. Der Fremde im Garten könnte auch ein gewöhnlicher Dieb gewesen sein.«
    »Nehmen wir mal an, Maruf ist wirklich unser Feind. Ist es dann klug, ihn mit ins Institut zu nehmen?
    Er könnte die Gelegenheit nutzen, uns weiter auszus-pionieren.«
    »Oder wir spionieren ihn aus, Bastien. Wie schreibt doch Racine: Ans Herz drück ich den Feind, doch um ihn zu ersticken.«

7. KAPITEL
    Entführt?
    emeinsam mit Sergeant Kalfan und den anderen G herbeilaufenden Wachen durchsuchten wir den Garten, aber kein Fremder hielt sich hier versteckt. Als wir auch den hintersten Winkel erfolglos durchstöbert hatten, keimte ein schrecklicher Verdacht in mir auf.
    »Was hast du, Bastien?« fragte mein Onkel. »Du bist auf einmal ganz bleich!«
    Ich schaute zum Haus, dessen helles Mauerwerk durch das Grün des Gartens schimmerte. »Was, wenn der Vorfall im Garten nur ein Ablenkungsmanöver war, um die Wachen vom Haus wegzulocken?«
    Der Sergeant stieß einen derben Fluch aus. »Wir Dummköpfe, das könnte sein!«
    Wir liefen zum Haus, das ruhig – für mein Empfinden zu ruhig – vor uns lag. Sobald wir eintraten, rief mein Onkel nach der Dienerschaft, aber niemand antwortete. Während Kalfan noch seine Männer zur Durchsuchung der Räume einteilte, eilte ich zu Ouridas Zimmer und stieß ohne Umschweife die Tür auf.
    »Was ist?« fragte Onkel Jean, der dicht hinter mir stand.
    »Leer«, antwortete ich, während ich mich vergebens nach Ourida umsah. Ich entdeckte keinerlei Hinweise auf Gewaltanwendung, kein zerbrochenes Mobiliar, kein Blut, aber Ourida war nicht mehr hier. »Ich fürchte, wir kommen zu spät.«

    »Das darf nicht sein!« entfuhr es meinem Onkel, und er ballte die rechte Hand so fest, daß die Knöchel weiß hervortraten. Er schien außerordentlich erregt und zugleich verbittert, so als sei ihm persönlich ein schweres Schicksal widerfahren. »Was befürchten Sie?« fragte ich zögernd, ahnte ich die Antwort doch.
    »Was soll ich wohl befürchten?« erwiderte er harsch und blickte auf das Bündel in seinen Händen, das den Dolch des stummen Attentäters enthielt. »Du selbst hast dem Mörder doch gegenübergestanden!«
    »Aber der Mann ist tot«, sagte ich, und meine Stimme bebte, denn die Erinnerung an die tödliche Konfrontation mit dem Mörder Abuls nahm mich noch immer mit.
    »Wer ihn ausgesandt hat, ist in der Lage, weitere Totschläger zu …«
    Der Rest seines Satzes wurde von der Stimme eines Soldaten übertönt, der seine Kameraden zu sich rief.
    »Das war draußen bei den Stallungen«, stellte mein Onkel fest und setzte sich sofort in Bewegung. Nach einem letzten, hoffnungslosen Blick in das leere Zimmer folgte ich ihm. Ich kannte Ourida erst wenige Tage und wußte so gut wie nichts über sie. Dennoch sah ich ihr schönes Gesicht vor mir, ihre großen, dunklen Augen, und ich erinnerte mich an das wohlige Gefühl von Geborgenheit, das mich ergriffen hatte, als sie ihre Hand auf meine Stirn legte. Wie ein Traum kam mir das jetzt vor, und Ourida war nur mehr eine Traumge-stalt, die mit dem Erwachen verblaßt und verschwunden war. Doch für mich war sie keine bloße Ausgeburt der Phantasie, ich empfand ihr Verschwinden wie den Verlust eines vertrauten, geliebten Menschen. Es war ein Gefühl wie damals, viele Jahre zuvor, als meine Eltern von mir gegangen waren.
    Als ich vor das Haus trat, bemerkte ich eine Men-schenansammlung auf der Straße. Der Schuß und der allgemeine Aufruhr hatten zahlreiche Neugierige angelockt, die sich wohl fragten, was die Fremden aus dem Land der Franken hier taten. Ich kümmerte mich nicht weiter um sie, sondern folgte meinem Onkel, der um das Haus herum zu den Stallungen gelaufen war. Vor einem großen Schuppen, in dem Werkzeug und Geräte für die

Weitere Kostenlose Bücher