Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
Haus- und Gartenarbeit aufbewahrt wurden, standen Kalfan und seine Männer. Unter dem sichel-förmigen Schnauzbart des Sergeanten entdeckte ich zu meinem Befremden ein breites Grinsen.
    Onkel Jean runzelte die Stirn. »Was gibt es so Erhei-terndes, Sergeant?«
    Kalfan wies ins Innere des Schuppens, dessen Tür weit offenstand. »Sehen Sie selbst, Professor. Wenn das kein Anblick für die Götter ist!«
    Ich drängte mich neben meinen Onkel und blickte in den schummrigen Raum. In der hintersten Ecke, nur mit Mühe auszumachen hinter einem verwitterten Bottich und einer Ansammlung von Harken, kauerten Malik, Zeineb und Nafi. Die beiden Alten hielten ihren Enkelsohn dicht an sich gepreßt. Ob sie ihn beschützen oder aber als Schutzschild benutzen wollten, war nicht ersichtlich. Der unvermeidliche Zweispitz saß auf Maliks grauem Kopf, war aber so weit zur Seite gerutscht, daß es wie ein Wunder anmutete, daß er sich überhaupt auf dem Haupt des Dieners hielt. Malik und seine Frau blickten verängstigt zu uns auf. Nafi dagegen schien sich nicht recht wohl zu fühlen. Mit einer plötzlichen Bewegung schüttelte er die Hände seiner Großeltern ab und sprang auf, als wollte er Abstand von ihnen gewinnen.
    »Sind sie … sind sie fort?« erkundigte sich Malik in seinem einzigartigen Kauderwelsch aus arabischen und französischen Wörtern, und unüberhörbar schwang große Angst in jeder Silbe mit.

    »Wer?« fragte Onkel Jean.
    Maliks Augen weiteten sich. »Die Schurken, die Räuber, die Mörder!«
    »Im Haus ist niemand.«
    Die Winkel von Maliks fast zahnlosem Mund glitten nach oben. » Ja Allâh, ia nabi, ia suruhr ! – O Allâh, o Prophet, o Freude! So sind wir gerettet? Hab Dank, Herr, daß du und die Frankensoldaten die schändlichen Eindringlinge vertrieben habt!«
    »Wie viele waren es?«
    »Ich kenne ihre Zahl nicht, Herr.«
    »Was wollten sie?«
    »Ich habe nicht mit ihnen gesprochen.«
    Mein Onkel erhob ungeduldig die Stimme. »Wie sahen die Fremden aus? Waren sie bewaffnet?«
    »Woher soll ich das wissen, Herr?«
    »Sie müssen doch etwas gesagt oder getan haben, das dich und die Deinen zur Flucht veranlaßt hat!«
    »Wir haben den Schuß gehört, draußen im Garten, Herr. Da hielten wir es für das klügste, uns hier zu verstecken. Nur Allâh kennt die Zahl der Eindringlinge und weiß um die Verworfenheit ihrer Absichten.«
    »Nur Allâh?«
    Mein Onkel trat in den Schuppen, packte Malik an den weiten Falten seines Gewands, zog ihn hoch und schüttelte ihn so heftig, daß der Zweispitz endlich zu Boden fiel. Sofort griff Zeineb nach dem zerbeulten Stück und fuhr säubernd mit der Hand darüber.
    »Soll das heißen, du hast von den Eindringlingen, von denen du da faselst, gar nichts gesehen oder ge-hört?«
    »Ich habe den Schuß gehört, Herr.«
    »Aber du hast niemanden ins Haus kommen sehen?«
    »Nein, Herr, das nicht.«
    »Warum hast du dich dann hier verkrochen?«

    »Aus Vorsicht, Herr, und aus Sorge um meinen Enkel und mein Weib.«
    »Und wie steht es mit der Sorge um das Haus, das dir anvertraut ist?«
    Malik warf einen schüchternen Blick zu Sergeant Kalfan und seinen Grenadieren. »Das Haus wußte ich bei den Frankensoldaten in guten Händen.«
    »Unseren Gast vielleicht auch?«
    »Wie meinst du das, Herr?«
    »Hast du dich auch um die Frau gekümmert, die ich deiner Obhut anvertraut habe?«
    Der alte Ägypter wand sich wie eine Schlange, ohne jedoch dem festen Griff meines Onkels zu entkommen.
    »N-nein, dazu blieb keine Zeit. Aber ich wußte sie doch unter dem sicheren Schutz der Frankensoldaten.«
    »Einem Schutz, der dir für dich und deine Familie nicht sicher genug erschien«, knurrte Onkel Jean und ließ den Diener los. Der taumelte rückwärts und war so wacklig auf den Beinen, daß er hingefallen wäre, hätte ihn nicht die Rückwand des Schuppens gestützt.
    Im Gesicht meines Onkels arbeitete es, und ich las in seinen scharfen Zügen Wut und Besorgnis. Letztere beherrschte auch mich. Allem Anschein nach hatten unsere geheimnisvollen Feinde Ourida vor unserer Nase entführt, ohne daß wir davon das Geringste mitbekommen hatten. Ich dachte an die Szenerie im unterirdischen Tempel, daran, daß die vermeintlichen Ritter Ourida fast auf dem Altar geopfert hatten. Wollten sie jetzt vollenden, was ihnen drei Tage zuvor durch unser Eingreifen verwehrt worden war? Bei dem Gedanken geriet mein Blut in Wallung, und die Angst um Ourida ließ mich nach Atem ringen, so als würde mit ihrem Tod auch ich

Weitere Kostenlose Bücher