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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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so schien er der einzige zu sein, den sein Gewissen quäl-te. Gilbert zeigte auf mich. »Ergreift den Verräter! Er und das Mädchen dürfen nicht entkommen. Und vor allem brauchen wir seine Axt!«
    Während er das noch rief, stürmte er schon auf mich zu und schwang seine Streitaxt. Ich trat ins Lagerfeuer und schleuderte mit dem Fuß die Glut hoch, ihm entgegen. Ich sah, wie er die Arme hochriß, hörte ihn schrei-en.
    Wieder packte ich Ourida und zog sie mit mir fort, zu der Umhegung, in der unsere Pferde standen. De Lacey und de Barrault waren dicht hinter uns. Wir erreichten die Umhegung zuerst, und ich riß einen Teil der Holzstangen beiseite. Uns blieb keine Zeit zum Sat-teln der Pferde. Ich half Ourida, die mir seltsam willen-los erschien, auf den Rücken eines Schimmels. Ich selbst bestieg meinen Falben, und schon sprengten wir los. Dabei trieb ich die übrigen Pferde vor mir her. Die beiden Johanniter mußten zur Seite springen, um nicht von ihnen überrannt zu werden.
    Wir ritten hinaus in die Nacht, wo sich die überzähligen Pferde zerstreuten. Selbst wenn es den anderen gelingen sollte, sie einzufangen, würden sie viel Zeit verlieren. Aber verfolgen würden sie uns, da war ich mir sicher. Nicht nur, weil ich Udaut getötet hatte. Es gab noch einen weiteren, weitaus gewichtigeren Grund: das Wahre Kreuz.

26. KAPITEL
    Die Ritter vom Verlorenen  Kreuz
    Ich stand allein vier Feinden gegenüber. Sie alle tru-I gen, wie ich auch, die Tracht von Ordensrittern. Die Schwerter gezogen, kamen sie auf mich zu, mit gleichmäßigen Bewegungen, wie ein einziger Mann. Auch ich zog mein Schwert und hob es mit beiden Händen zur Verteidigung. Die vier ließen sich dadurch nicht abschrecken, zögerten keinen Augenblick.
    Endlich erkannte ich ihre Gesichter, und ich erstarrte vor Entsetzen. Es war ein und dasselbe Antlitz: mein eigenes! Meine Arme wurden starr, und es war mir unmöglich, das Schwert zu führen – gegen mich selbst!
    Ich wandte mich um und lief fort, hinaus in die dunkle Nacht. Noch immer hielt ich das Schwert mit beiden Händen vor mir. Aber die Nacht war keine Nacht und das Schwert kein Schwert mehr. Es hatte sich in ein Kreuz verwandelt, von dem ein überirdisches Leuchten ausging.
    Das Licht, hell und warm, vertrieb jede Dunkelheit, auch die tief in mir. Das Entsetzen über die Verfolger mit meinem Gesicht war verschwunden. Statt dessen erfüllten mich Zuversicht und Ruhe. Ein innerer Friede, wie ich ihn in den Stunden tiefsten Gebets nicht gekannt hatte.

    Das Licht des Kreuzes war überall, um mich herum und in meinem Innern. Ich fühlte mich behütet und geborgen wie nie zuvor, denn ich wußte, nun war ich auf dem rechten Weg.

    »Kupferhaar, geht es dir gut?«
    Ich hörte Ouridas Stimme, nahm den Duft ihres Leibes wahr und spürte ihre Hände auf meinen Wangen.
    Mein Geist kehrte in die Wirklichkeit zurück, Zeit und Ort wurden mir wieder bewußt.
    Fünf Tage waren vergangen, seit meine Ordensbrü-
    der und die drei Johanniter Ouridas Familie grausam ermordet hatten. Ich erinnerte mich an unsere Flucht in die Wüste, an die ständige Furcht, von den Verfolgern aufgespürt zu werden. Aber sie waren nicht gekommen, und wir waren weitergezogen, immer darauf bedacht, nicht auf Saladins Truppen zu treffen. So waren wir in ein kleines Dorf gelangt, in dem es keine Soldaten gab.
    Zum Glück verfügte ich über etwas Gold, und wir hatten Wasserschläuche und Lebensmittel sowie Sättel und Zaumzeug für unsere Pferde gekauft. Dann hatten wir unseren Weg, dessen Ziel wir nicht kannten, fortgesetzt und in einer geräumigen Felshöhle Unterschlupf gefunden.
    Ich blickte durch den Höhleneingang nach draußen und sah die Sonne aufgehen. Warmes, hellrotes Licht durchflutete das Heilige Land und erinnerte mich an das Licht des Kreuzes in meinem Traum. Plötzlich stellte ich mir eine Frage, die mir während all meiner Jahre als Tempelritter nicht einmal in den Sinn gekommen war: Wieso mußten Christen und Muslime sich um dieses Land streiten? Bot es nicht genügend Platz für alle, die auf seiner heiligen Erde leben wollten?
    »Du mußt ungewöhnlich lebhaft geträumt haben«, sagte Ourida. »Erst schienst du sehr aufgeregt, dein Atem ging schwer, und du hast gestöhnt wie unter einer großen Last. Dann wurde dein Atem ruhiger, und du hast gelächelt. Sogar die Augen hast du geöffnet, aber du warst trotzdem in deinem Traum gefangen, hast mich weder gesehen noch gehört. Ich hatte große Angst um dich,

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