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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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anzuhören, so tröstlich war es, daß wir das Wahre Kreuz hatten retten können. Die Sarazenen schienen tatsächlich die äußere Hülle für die Reliquie zu halten.
    So bestand keine Gefahr, daß sie nach jenem un-scheinbaren Stück Holz suchen würden, das im Schaft meiner Axt verborgen war.
    Rassam erzählte weiter, Sultan Saladin habe den gefangenen König Guido und alle christlichen Heerführer, die den Kampf überlebt hatten, in sein Zelt bringen lassen. Guido sei nur mehr ein zitterndes Wrack gewesen und habe sichtlich erleichtert die Schale Wasser angenommen, die Saladin ihm reichte – ein Zeichen, daß Saladin ihm das Gastrecht gewährte und ihm nicht nach dem Leben trachtete. Als Guido aber das Wasser an Renaud de Châtillon weiterreichte, sei der Sultan in Wut geraten, weil de Châtillon einer seiner ärgsten Feinde und in seinen Augen derjenige war, der den Bruch des Waffenstillstands zu verantworten hatte.
    Saladin habe ihm das Gastrecht verweigert und ihn vor die Wahl gestellt, seinem Glauben abzuschwören oder sein Leben zu verlieren. De Châtillon habe sich für letzteres entschieden und sei enthauptet worden.
    »Einer der Soldaten, die uns davon erzählten, meinte, der Sultan selbst habe das Haupt des Franken vom Rumpf getrennt«, sagte Rassam. »Ich weiß nicht, ob das wahr ist, doch bei all den anderen Enthauptungen wird er wohl kaum eigenhändig das Schwert geführt haben.«
    Ich sah den Beduinen erschrocken an. »Bei all den anderen Enthauptungen? Was bedeutet das?«
    Rassam legte eine Pause ein und blickte wie abwesend ins Feuer. »Der Krieg ist ein Untier, das, einmal in Raserei verfallen, kaum mehr zu bändigen ist. Selbst wenn die Schlacht geschlagen ist, giert es noch nach Opfern. So hat es auch jene Christen getroffen, die den Orden ihres Gottes angehörten.«
    Gilbert beugte sich gespannt vor. »Sprichst du von den Templern und Johannitern?«
    »Ja, so heißen sie. Wer von ihnen nicht gefallen war, gehörte als Gefangener demjenigen, der ihn überwun-den hatte. Für einen Ordensritter erhofften Saladins Männer sich ein gutes Lösegeld. Saladin aber hat alle gefangenen Ordensritter ihren Bezwingern abgekauft und ausnahmslos hinrichten lassen, weil sie, so sagte er, unversöhnliche Feinde des Islam seien und sich niemals bessern würden.«
    Auf den Gesichtern meiner Brüder las ich dieselbe Bestürzung, die auch mich befallen hatte. Hitze wallte in mir auf, und die zuckenden, prasselnden Flammen des Lagerfeuers erschienen mir plötzlich unerträglich.
    Ich erhob mich und entfernte mich eiligen Schrittes, weg vom Lager, hinaus in die kalte Wüstennacht, bis das Feuer nur noch eine kleine Flamme war.
    Von einem niedrigen Hügel aus blickte ich nach Westen, wo ich unter demselben Sternenzelt Hattin wußte und wo meine toten Brüder lagen, enthauptet, gewiß auch ausgeplündert, ihres Lebens und ihrer Ehre be-raubt. Die Schauer, die mir über den Rücken liefen, waren nicht der Kälte geschuldet. Ich zog die doppelköpfige Axt aus dem Gürtel und hielt sie hoch. Hatte der Bischof von Lydda einen Fehler gemacht, als er uns das Wahre Kreuz anvertraute? Hätte das heilige Holz, wäre es in unserem Lager geblieben, uns vielleicht doch noch den Sieg gebracht? Hätte es zumindest die Templer und Johanniter davor bewahrt, auf derart abscheuliche und sinnlose Weise ihr Leben zu verlieren?
    Ich fand keine Antwort auf meine Fragen. Als ich in der Dunkelheit leise Schritte hörte, schob ich die Axt rasch wieder in den Gürtel.
    Eine schlanke Gestalt kam den Hügel herauf, und das Mondlicht schien auf die lieblichen Züge von Rassams ältester Tochter.
    »Ourida! Was suchst du hier?«
    »Dich, Mann mit dem Kupferhaar. Ich möchte dich nicht in deiner Trauer um deine Brüder stören. Aber vielleicht willst du jetzt nicht allein sein.«
    »Du weißt, daß auch ich ein Ordensritter bin?«
    »Ihr alle seid welche, das wissen wir. Nur weil wir einfache Menschen sind, Söhne und Töchter der Wüste, müßt ihr uns nicht für dumm halten!«
    »Ich weiß, daß du nicht dumm bist«, beeilte ich mich zu sagen. »Du hast einen wachen Verstand und ein warmes Herz. Es ist gut, daß du bei mir bist!«
    Das Mondlicht fiel auf einen silbrig leuchtenden An-hänger, den Ourida an einer Kette um den Hals trug.
    Er war rund und etwa so groß wie die Fläche einer Hand. Seine Gravur bestand aus arabischen Schriftzeichen, links und rechts davon jeweils eine Rose.
    »Was bedeutet diese Schrift?« fragte ich.
    »Es ist meine

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