Das Wahre Kreuz
sie hierhergeführt hatte.
Während ich noch ungläubig dieses Bild in mich aufnahm, erkannte ich den berittenen Offizier in ihrer Mitte, der sie mit gezogenem Säbel ins Gefecht führte und auf dessen Hut der rot-weiße Federbusch eines französischen Brigadegenerals prangte. Vor meiner Ab-reise aus Kairo hatte ich zweimal mit ihm gesprochen: General Lannes.
Er rief etwas, das ich nicht verstand, und deutete mit dem Säbel nach vorn. Die Soldaten hielten an, und das vorderste Glied ging in die Knie, um den Ansturm einer berittenen Beduinenschar zur erwarten, die im vollen Galopp auf den vielfach überlegenen Gegner zuhielt.
Die Krieger der Abnaa Al Salieb hatten sich offenbar von der Überraschung des Feuerüberfalls erholt und gingen zum Gegenangriff über, einhundert oder ein-hundertfünfzig Reiter, angeführt von Scheik Jussuf!
Erleichtert sah ich, daß er die Kanonade überlebt hatte. Er war wohl schon frühmorgens nach draußen gegangen, um sich mit seinen Kriegern im Kämpfen zu üben. Das hatte ihn und die meisten Männer vor dem schrecklichen Schicksal bewahrt, dem ihre Frauen, Kinder und Alten anheimgefallen waren.
Eine Salve der Franzosen riß Lücken in die Reihen der Beduinen, hielt ihren Ansturm aber nicht auf. Hastig luden die Infanteristen nach, während die Beduinen auf ihren schnellen Pferden näher und näher kamen. Es war ein Wettlauf um Leben oder Tod. Die Wüstensöh-ne stießen gellende Kriegslaute aus, bereit, ihre blanken Klingen in die Leiber der Franzosen zu stoßen.
Da erbebte der Boden unter den Abnaa Al Salieb, als Kanonenkugeln zwischen sie fuhren, Granaten sie von ihren Pferden sprengten und Kartätschen sie mit ihren Ladungen durchsiebten. Der Reiterangriff verwandelte sich in ein ungeordnetes Knäuel stürzender Pferde, Toter und Verwundeter. Und schon hatte die Infanterie nachgeladen. General Lannes stieß den erhobenen Säbel in Richtung der Beduinen und gab erneut den Befehl zum Feuern. Die Salve, aus nächster Nähe abgegeben, traf einen Großteil jener Wüstenkrieger, die sich noch im Sattel hielten. Als ich die tapferen Abnaa Al Salieb reihenweise fallen sah, fühlte ich einen körperlichen Schmerz.
Ein weiterer Befehl Lannes’, und das kniende vorderste Glied erhob sich. Die Soldaten hielten sich nicht mit Nachladen auf. Alle drei Glieder gingen zum Bajonett-angriff über und warfen sich unter lautem Geschrei auf die Beduinen. Ich entdeckte den Scheik, der sich schwankend erhob und mit blankem Säbel dem Feind entgegenstürzte. Er rammte einem Infanteristen die Klinge in den Leib und brachte einem zweiten eine Wunde an der Schulter bei, ging dann aber, von einem Bajonett getroffen, auf die Knie. Sofort war eine Handvoll Soldaten über ihm, um mit Bajonetten und Gewehrkolben sein Leben auszulöschen.
Wie gelähmt hatte ich den Kampf verfolgt. Nun gab ich mir einen Ruck und wandte mich, Tränen in den Augen, ab, lief fort von dem Gemetzel, um wenigstens Rabja zu retten. Ein Trupp Dragoner sprengte heran und schloß eine Lücke, die den Beduinen eine Rück-zugsmöglichkeit gewährt hätte. So kamen die französischen Reiter in meine unmittelbare Nähe und waren plötzlich rings um mich her. Mit Rabja auf den Armen war es mir unmöglich, ihnen zu entkommen.
Einer hatte mich erblickt und ritt mit gezogenem Sä-
bel auf mich zu. Ungläubig starrte ich ihn an und fragte mich, ob er mich wirklich töten würde. Erst dann begriff ich, daß er mich für einen Beduinen halten mußte.
Für einen Wüstensohn, der sein Kind in den Armen hielt.
Rabja! Mein Tod würde auch den ihren bedeuten!
»Ich bin Franzose!« brüllte ich dem Dragoner entgegen. »Ich heiße Bastien Topart!«
Ich wiederholte den Namen, schrie ihn wieder und wieder hinaus in den blutigen Morgen.
Hatte der Dragoner mich verstanden? Er galoppierte an mir vorüber. Andere zügelten ihr Pferd, und aus ihren staub- und schweißbedeckten Gesichtern sprach Verwunderung. Irgendwann drängte ein Reiter, dessen blauer Rock unter den grünen der Dragoner auffiel, seinen Rappen zwischen ihnen hindurch. Statt eines Helms trug er einen federgeschmückten Zweispitz. Auf meiner Höhe zügelte er sein Pferd und beugte sich zu mir herunter; plötzlich waren die markanten Züge von General Lannes zum Greifen nahe. »Mein Gott, Sie sind’s wirklich, Bürger Topart! In dem Aufzug hätte ich Sie kaum erkannt. Ihr Onkel wird sich freuen. Wir hatten wenig Hoffnung, Sie lebend zu finden. Sind Sie verletzt?«
Ich wußte es nicht,
Weitere Kostenlose Bücher