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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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also die französischen Truppen durchgebrochen und ins Tal eingedrungen, vermutlich unterstützt durch die Artillerie. Wir befanden uns dicht vor dem Höhenzug, und jetzt erkannte ich die Geschüt-ze zwischen den Felsen mit bloßem Auge.
    »Wie sind die Kanonen da hinaufgekommen?« fragte ich. »Wir haben die ganze Nacht dafür gebraucht.
    Zunächst mußten die Beduinenwachen unschädlich gemacht werden, ohne daß jemand im Tal etwas bemerkte. Damit waren nur Soldaten betraut, die aus den Bergen stammen, und sie durften keine Schußwaffen mitnehmen. Wie Sie sehen, Bürger Topart, haben sie die Aufgabe mit Bravour erledigt. Noch in der Nacht haben wir die Kanonen hochgekarrt und zwischen den Felsen in Stellung gebracht. Alles ganz nach Plan.«
    »Ihr Schlachtplan, General Lannes, ist wirklich bewundernswert«, sagte ich voll Bitterkeit.
    »Nicht mein Plan«, wehrte er ab. »Ihm gebührt der Ruhm!« Und er zeigte auf die Felsen, wo eine Gruppe von Offizieren und Grenadieren herabgestiegen kam.
    Der Mann, den Lannes gemeint hatte, trug eine staubi-ge Uniform, die mehr grau als blau war. Erst auf den zweiten Blick war zu erkennen, daß es sich um die Uniform eines Generals handelte. Das Gesicht mit der scharfen Nase und den unablässig forschenden Augen erkannte ich sofort.
    »General Bonaparte!« rief ich.
    »Bürger Topart!« Bonaparte ahmte meinen Tonfall nach und lächelte. »Da sind wir wohl beide überrascht.
    Natürlich hatte ich gehofft, Sie würden noch unter den Lebenden weilen, nachdem wir zwar die Leichen meiner tapferen Husaren gefunden hatten, nicht aber die Ihre. Aber ob wir Sie wirklich würden retten können, schien ungewiß.« Er wandte sich seinem Freund Lannes zu. »Da hat sich unser Ausflug in die trostlose Wüste doch wahrhaftig gelohnt, Lannes. Was sagen Sie zu meiner Artillerie? Habe ich Ihnen nicht ganz wunder-bar den Weg freigeschossen, als diese Wüstenkrieger auf Sie zustürmten?«
    »Es war perfekt«, bestätigte Lannes.
    »Gelernt ist gelernt, mein Lieber. Die großen Schlachten werden alle von der Artillerie gewonnen.«
    Bonaparte ließ seinen Blick über das Tal schweifen und lachte. »Und auch manche kleine.« Unvermittelt fixierte er wieder mich. »Ich denke, wir bringen Sie jetzt zu Ihrem Onkel, damit er beruhigt ist.«
    »Ist er denn hier?«
    Bonaparte nickte. »Selbstverständlich. Er hat darauf bestanden, uns zu begleiten. Am liebsten wäre er mit in die Schlacht geritten, um seinen Neffen aus den Händen der räuberischen Beduinen zu retten.«
    »Weder waren sie Räuber, noch haben sie Ihre Husaren auf dem Gewissen, Bürger General! Das Gegenteil ist wahr: Sie sind uns zu Hilfe gekommen, und ohne sie wäre auch ich nicht mehr am Leben!«
    Lannes fügte hinzu: »Wie Bürger Topart mir sagte, haben diese ominösen Ritter unseren Husarentrupp überfallen.«
    Bonaparte schien auch nicht eine Sekunde lang irritiert. »So? Da haben wir wohl die falschen angegriffen, wie? Sei’s drum, es war eine wichtige Erfahrung für unsere Truppen. Wir haben gesehen, daß sie auch nach einem Marsch durch die Wüste tapfer in den Kampf gehen. Marschieren, schießen und mit der blanken Waffe angreifen, all das kann man üben, aber nur ein echtes Gefecht bietet Aufschluß über die Moral einer Truppe. Merken Sie sich das gut, Lannes, es wird Ihnen noch nützlich sein!«
    Angesichts dieser Kaltherzigkeit krampfte sich mein Magen zusammen. Mir war speiübel, und gleichzeitig fühlte ich mich erbärmlich hilflos. Über das Tal verstreut lagen die Toten, und vor mir stand der Mörder und sprach über seine Bluttat wie über ein Stück aus dem Lehrbuch!
    Mein Verlangen, irgend etwas gegen diesen Wahn-sinn zu tun, wurde schier übermächtig, aber ich konnte weder das Morden ungeschehen machen noch Bonaparte zur Rechenschaft ziehen. Er war der Herr Ägyptens und hatte hier die alleinige Macht.
    »Aber die Beduinen waren unschuldig!« protestierte ich mit vor Wut zitternder Stimme. »Ihre Soldaten haben sie für nichts und wieder nichts abgeschlachtet!«
    Bonaparte runzelte die Stirn und erwiderte unwillig:
    »Haben Sie mich nicht verstanden, Topart? Meinen Soldaten hat dieses Unternehmen sehr wohl etwas gebracht. Worüber beklagen Sie sich? Über den Tod von ein paar hundert Halbwilden?«
    Abrupt wandte er mir den Rücken zu und begann, einem der Offiziere Befehle zu erteilen. Es bestand kein Zweifel daran, daß er das Gespräch mit mir nicht fortzusetzen gedachte. Lannes sagte: »Kommen Sie mit, ich bringe Sie

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