Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
welche!« Ihre Stimme hob sich zu einem wehen Schrei.
»Es schmerzt Euch«, sagte ich. »Wenn Ihr Kraft zum Heilen braucht und keine zur Verfügung steht, schmerzt es Euch!« Der Gedanke war mir gerade gekommen.
»Ja. Das ist bei allen Heilern so. Und auch bei den Sehern und allen Dämonen. Alle, die von Spielmutter Didir abstammen, tragen diesen Schmerz in sich.« Sie sprach von der legendären Großmutter unserer Rasse. Didir war die Ahnherrin aller geistigen, Spielvater Tamor der Ahnherr aller materiellen Kräfte. Die Religionsbücher behaupteten, daß wir alle von diesen zweien abstammten. Ich hatte nie viel darüber nachgedacht, ebensowenig über das Konzept des Schmerzes.
Als Tossa verwundet worden war, hatte ich ihren Schmerz gespürt, ebenso ihren Tod. Wenn Seidenhand Schmerz empfand, fühlte ich ihn auch. Was bedeutete das? Ich hatte mich noch nie mit so etwas beschäftigt. Für Jungen meines Alters – und für Mädchen wahrscheinlich auch, obwohl ich das nicht mit Sicherheit behaupten kann – gibt es nichts Wichtigeres, als den zukünftigen Namen zu erfahren, herauszufinden, welches Talent wir in uns tragen. Wir suchen nach Hinweisen, Zeichen, Vorankündigungen. Wir bitten Seher, für uns in die Zukunft zu blicken (was sie natürlich niemals tun, weil es verboten ist). Aber was bedeutete dies hier? War ich ein im Entstehen begriffener Dämon, der die Gefühle anderer lesen konnte? Nein, das war ein dummer Einfall. Zu Tossas Gefühlen hätte ich trotzdem keinen Zugang gehabt. Meine Gedanken drehten sich im Kreis, und ich versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken.
Wir erhielten Essen und Trinken und die nötigen Annehmlichkeiten, damit wir so erfrischt in der Audienzhalle dem Zauberer Himaggery vorgeführt werden konnten. Ich hörte Wasser unter dem Fußboden rauschen, die Wärme der Steine erzählten ihre eigene Geschichte über Macht. Dazzle war schon anwesend, ebenso der Pfandleiher. Nachdem beide gesprochen hatten, holte Chance unseren Passierschein aus der Brusttasche und zeigte ihn dem Zauberer, der ihn sorgfältig studierte.
»Also, mein Junge«, sagte er dann, »du hast gehört, daß der Pfandleiher sagte, er sei von einem Dämon angeheuert worden, dich zu suchen, und sei für seine Arbeit gut bezahlt worden. Du hast gehört, wie Seidenhand erzählte, daß du ein verbotenes Spiel gespielt hast, um die Heilerin zu einer verwundeten Unveränderlichen zu locken, wobei dir jeder hätte sagen können, daß du dich umsonst mühst. Ich habe Dazzles Beschwerde vernommen, aber für diese Sache wirst du nicht bestraft. Also, sprich jetzt selbst! Warum sucht dich dieser Dämon?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe in meinem Leben nur einen einzigen Dämon getroffen, beim letzten Festival, und kann mich nicht einmal an seinen Namen erinnern.«
»Nun, diese Behauptung kann leicht von einem meiner Dämonen überprüft werden.« Er bedeutete einem großen Dämon, der zu seiner Rechten stand, seine Augen auf mich zu richten. Ich fühlte ein Prickeln im Kopf, sah ein flüchtiges Kaleidoskop von Farben und Gerüchen. Der Dämon schüttelte den Kopf und sagte zu Himaggery: »Er sagt die Wahrheit. Er ist wirklich nur ein Schüler, ein Junge, nichts weiter.«
»Aha. Also, warum wolltest du diesen Pfandleiher töten? Er befand sich schließlich unter meinem Schutz.«
»Er hat Tossa umgebracht«, knirschte ich. »Er hat sie umgebracht oder jemand anderen dazu veranlaßt. Was hatte sie ihm getan? Nichts! Überhaupt nichts! Er hat sie einfach getötet.«
Der Pfandleiher krümmte sich. »Ein Unglück, Herr. Ein … Mißverständnis. Ich wollte niemanden töten, aber einer meiner Männer … das Jagdfieber hatte ihn gepackt …«
»Die Sache scheint geklärt«, sagte Himaggery. »Der Junge hat bis auf diese kleine verbotene Maskerade nichts verbrochen. Der Pfandleiher aber hat die Tochter des Governeurs der Unveränderlichen umgebracht. Wahrscheinlich lebt er nicht mehr lange genug, um das zu bereuen. Wir werden den Unveränderlichen deinen Namen melden, Pfandleiher. Ich beabsichtige nicht, die Schuld auf mich oder meine Leute zu laden.«
»Aber Herr …«
»Sei still. Wenn du mich verärgerst, liefere ich dich gleich an sie aus, anstatt ihnen nur deinen Namen zu sagen. Was dich betrifft, Seidenhand, so hast du nichts weiter getan, als wieder einmal in bestimmten Angelegenheiten, die wir schon häufig diskutiert haben, die falsche Entscheidung zu treffen. Und Dazzle weilt also auch wieder unter uns …«
Er war
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