Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
Guiles, deren Name Tilde war.
Beide bekamen eine Tochter, sechs Jahre jünger als Seidenhand, Dazzle.
Borold und Seidenhands Talente zeigten sich recht früh, ungefähr im Alter von fünfzehn Jahren. Seidenhand wurde als Heilerin in der Gegend, wo die Familie lebte, sehr geachtet, wie es oft bei Heilern der Fall ist, ob sie es verdienen oder nicht, obwohl ich aus meiner Erfahrung sagen würde, Seidenhand verdiente es mehr als die meisten anderen. Borold konnte bereits früh fliegen, dann gesellte sich Portation dazu, und er wurde Schildwächter genannt. Dazzle war selbst als kleines Kind schon eine Schönheit und wurde als erwachsene Frau schöner als irgend jemand, den man je in dieser Gegend gesehen hatte. Aber sie konnte Seidenhand nicht leiden …«
»Was irgendwie Tildes Schuld war«, unterbrach ihn Seidenhand. »Sie verabscheute meine Mutter, obwohl diese schon so lange tot war. Tilde war eifersüchtig auf den guten Ruf meiner Mutter in der Stadt und auf die Tatsache, daß ich, ihre Tochter, Heilerin war. Man kann Dazzle nicht die ganze Schuld …«
»Mag das sein, wie es will«, fuhr der Zauberer fort. »Dazzle haßte ihre Schwester aus tiefstem Herzen. Und als sie selbst ein Talent zeigte, lag es genau auf der Ebene, die sich schon so frühzeitig bei ihr abgezeichnet hatte – Glanz, Betörung, Kräftespeichern und Feuer, die Bandbreite einer Priesterin oder Hexe. Weil sie Kräfte speichern konnte, versuchte Seidenhand, Dazzle dazu zu bewegen, ihr beim Heilen zu helfen, denn mit Dazzles Hilfe hätte sie viele, viele heilen können …«
»Sie wollte nicht!« rief Seidenhand. »Sie lehnte es ab. Sie wollte keine Kräfte speichern außer für ihr eigenes Vergnügen. Wenn Kranke dalagen, drehte sie sich weg und sagte: ›Die sind mir gleichgültig. Außerdem stinken sie. Es ist besser, wenn sie sterben.‹«
Der Zauberer nickte. »Genau. Und Borold geriet unter Dazzles Bann. Er wandte sich von Seidenhand ab und unterstützte sie auch nicht mehr beim Heilen, obwohl er sie früher immer durch die Luft getragen hatte, um Kranke und Verwundete zu finden. Er hörte damit auf und flog nur noch zu Dazzles Vergnügen.«
»Dann fand ein Spiel statt«, sagte Seidenhand in einer monotonen Sprechweise, als rezitiere sie aus einem alten Text. »Ein sehr großes Spiel, zu dem mächtige Armeen nahe dem Ort aufmarschierten, wo wir lebten. Die Tragamore dieses Spieles ließen unter der Aufsicht von Sehern und Dämonen Steine auf die gegnerischen Armeen herabregnen, aber irgend etwas mißlang, und die Steine stürzten auf die Stadt und das Haus, in dem wir uns befanden.
Mein Vater war sofort tot. Tilde lag schreiend da, die Beine unter einem Stein eingeklemmt. Und das Spiel hatte soviel Kraft verbraucht, daß ich keine mehr zur Verfügung hatte, um sie zu heilen; also rief ich Dazzle zu, während Borold und ich versuchten, den Stein wegzurollen: ›Dazzle, deine Mutter ist schwerverletzt. Gib mir Kraft, sie zu heilen, oder sie wird sterben.‹ Aber Dazzle sagte: ›Ich bin alt genug, ich brauche keine Mutter mehr. Ich brauche die Kraft für mich selbst, um mich in Sicherheit zu bringen.‹ Mit diesen Worten kauerte sie sich in die Ecke und begann eine Betörung für sich selbst zu weben, um sich selbst zu betören, daß sie sicher sei …
Dann krachte ein weiterer Stein auf uns, zerschmetterte das Dach, und ein großer Dachziegel fiel wie ein Messer herab und zerhieb Dazzles Gesicht. Borold bemerkte es nicht. Ich sah es und schrie vor Entsetzen über den grauenhaften Anblick. Dazzles Geist war unverletzt, und ich bat sie um Kraft, damit ich sie heilen konnte, aber sie sagte bloß: ›Laß die faulen Tricks, Seidenhand. Mir geht es gut. Laß mich in Ruhe. Versuch nicht, wegen dieser Alten da Saft aus mir herauszupressen.‹
Und sie fuhr mit all ihrer Kraft fort, die schöne Täuschung um sich herum weiterzuweben, so daß Borold das Gewebe ebensowenig durchschauen konnte wie sie selbst, wenn sie in den Spiegel blickte, und so hat sie gewoben, seit Tilde starb. Ich konnte damals nichts weiter tun, als ihre Schmerzen ein wenig zu lindern. Es war sehr kalt. Kurz nachdem das Spiel zu Ende war, kam Hilfe, aber sie erschien zu spät. Und Dazzle wob weiter an ihrer Betörung …«
»Sie weiß es also nicht einmal selbst?« fragte ich erstaunt.
Himaggery schnitt ein säuerliches Gesicht. »Sie weiß es nicht. Manchmal stellt sie mir nach, und es bedeutet eine fortwährende Beleidigung für sie, daß ich ihre Gelüste nicht
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