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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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zu sagen und Huld eine Möglichkeit zu geben, dem Prinzen zu vergeben, ohne ihn gänzlich zu verabscheuen.
    Die Gründe zählten jetzt aber nicht mehr. Peter war an der Oberfläche erschienen. Swallow hatte aufgehört zu existieren. Der noch unausgeführte Plan, den ich zur Rettung Seidenhands entworfen hatte, mußte sofort durchgeführt werden, ob endgültig durchdacht oder nicht.
    Ich hatte die Diener beobachtet, wenn sie durch die Burg liefen, um Essen oder Wäsche zu bringen oder Aufträge für ranghohe Spieler zu erfüllen. Jeder von ihnen trug eine graue Jacke mit violetten und schwarzen Streifen, Mandors Farben. Eine solche Jacke sowie ein paar Hosen und Schuhe aus weichem Leder hatte Swallow gestohlen. Im Obstgarten wechselte ich in diese Kleidung über, genau wie in die Gestalt eines anonymen Dieners mit Allerweltsgesicht. Dann wartete ich ab, bis die Küche fast leer war, ging hinein und nahm mir ein Tablett mit einer Flasche und einem Weinglas. Eine der Küchenmägde sah mich, und ich betete, daß mein Gesicht alltäglich genug war, damit mir niemand besondere Aufmerksamkeit schenkte. Ich ging hinaus, immer dicht an der Flurwand, den Kopf ehrerbietig geneigt, wenn Spieler vorüberschritten, das Tablett als Beweis dafür balancierend, daß ich hierhergehörte, daß ich meine Pflicht erfüllte. Als ich an die Tür von Seidenhands Zimmer kam, fand ich sie verriegelt. Ein gähnender Hellebardist hielt davor Wache, der mich flüchtig anschaute, ohne mich wirklich wahrzunehmen, und sich dann abwandte, um die Tür zu entriegeln. Er erhob sich nicht mehr vom Boden, nachdem ich ihm die Flasche über den Kopf geschlagen hatte. Sie war nicht einmal zerbrochen. Ich zerrte den Mann hinter einen Pfeiler, um ihn auszuziehen. Er würde ziemliches Kopfbrummen haben, wenn er erwachte, doch ich war ebenso dankbar dafür, daß er am Leben geblieben war, wie ich vor einigen Tagen über Grimpts Tod dankbar gewesen war. Der Hellebardist war ein einfacher Mann mit einem winzigen Talent zum Feuermachen und einem noch winzigeren zur Betörung. Das machte ihn bei seinen Kameraden beliebt, war aber kein Grund, ihm den Tod zu wünschen.
    Als ich zu Seidenhand hineinging und ihr sagte, sie solle mit mir kommen, geriet sie in schreckliche Angst. Ich hätte ihr gern gesagt, sie solle sich nicht fürchten, doch es war nötig, daß sie Furcht empfand, falls uns jemand sah und neugierig wurde. Nur wenn sie wirklich Angst empfand, konnte mein Plan gelingen. Also wurde Peter sorgfältig und tief in dem Hellebardisten verstaut, und dieser eskortierte Seidenhand den Flur entlang. Wir stiegen eine Hintertreppe hinunter ein Stockwerk tiefer, dann mehrere Korridore entlang bis zu einer weiteren Treppe, die uns zu einem kleinen Gang brachte, der von der Speisehalle wegführte, aber ungeachtet der späten Uhrzeit immer noch mit Spielern und Dienstboten bevölkert war. Mit einem harten Griff an die Schulter befahl ich Seidenhand, ruhig stehenzubleiben. Ich fluchte lautlos, als eine Gruppe Spieler vorbeischlenderte, die sich lachend um ein spätes Kartenspiel stritten. Drei von ihnen verharrten, um sich zu unterhalten, und ich befürchtete schon, sie würden überhaupt nicht mehr weitergehen. Dann, als sie endlich durch die Tür verschwanden und ich mir gerade vor meinem geistigen Auge den Weg durch eine Seitentür in den Garten zur Burgmauer vergegenwärtigte, ertönte Alarm aus den oberen Stockwerken. Ich wußte sofort, daß man den Hellebardisten gefunden hatte.
    Es blieb keine Zeit mehr, durch die Gärten bis zu dem Seil an der Burgmauer zu fliehen. Beim ersten Alarmton würden die Mauern bewacht werden. Ich zog Seidenhand an mich und zischte: »Seid still, wenn Ihr am Leben bleiben wollt! Wenn Ihr wirklich weiterleben wollt, stellt Euch vor, Ihr wäret Gras wie damals an einem Berghang mit Chance neben Euch …«
    Sie schaute forschend in mein Gesicht und sagte dann: »Peter.« Ich weiß nicht, wie sie sich so schnell Klarheit verschaffen konnte, abgesehen davon, daß meine Hände auf ihren Schultern lagen und sie dadurch in den Körper hineinsehen konnte, den ich trug. Vielleicht hatte sie dadurch eine entfernte Ähnlichkeit entdeckt. Jedenfalls hörte sie blitzartig auf, mich anzustarren, und ihre Miene wurde ausdruckslos. Ich wußte, daß sie alles tat, um unsichtbar zu sein, falls Huld sie suchen kam.
    In seinen oberflächlichen Erinnerungen kannte der Hellebardist die Burg gut genug, doch ich konnte in seinen Gedanken keinen Hinweis auf ein

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