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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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sicheres Versteck finden. Da fielen mir Huld und Mandors Worte ein, als sie über Grimpt sprachen. Die Höhlen von Bannerwell. Wo? Der Hellebardist wußte von nichts, aber Grimpt kannte sie. Ich suchte noch einmal nach dem Muster dieser Erinnerung, zog sie wieder ans Tageslicht. Ah ja, Grimpt hatte die Höhlen gut gekannt. Dort war der Weg, die rostige Tür, der Schlüssel, die spinnwebverhangenen Gänge …
    Weder durchforstete ich diese Erinnerung weiter, noch wartete ich ab, bis ich sie verstand. Statt dessen hastete ich stolpernd den Weg zurück, den wir gekommen waren, Seidenhand hinter mir her zerrend. Da – eine Holzvertäfelung, die auf geheimen Druck reagierte. Dort – eine Tür, die hinter einem Wandteppich verborgen lag. Hier – die mit Spinnweben überwucherten Stufen, hinter Mauern verborgen, die zu den Folterkerkern führte, zu denen Grimpt Peter vor einigen Tagen hatte bringen wollen.
    Wir hielten uns nicht damit auf, die Werkzeuge zu betrachten. Der Ort war verlassen. Nur eine rußige Fackel brannte an der Mauer. Der Weg, den ich in Grimpts Erinnerung entdeckt hatte, führte durch eine versteckt liegende eiserne Tür, deren Beschlag und Angeln fleckig vor Rost waren. Im Schloß steckte ein Schlüssel. Die Tür öffnete sich mühsam, mit quietschenden Angeln, und wir schlüpften hindurch, um hinter uns wieder abzuschließen. Ich hatte gewußt, daß der Weg dahinter stockfinster wäre, und deshalb die Fackel mitgenommen, die uns den Weg in den Schoß der Erde erhellen sollte. Totenstille umgab uns. Unsere Schritte versanken im Staub, und unsere heftigen Atemstöße verloren sich unter der hohen gewölbten Decke über uns. Seidenhand folgte schweigend, das Gesicht noch immer ausdruckslos, bis ich sie schüttelte und sagte: »Hier ist genügend Stein zwischen uns und der Außenwelt, Seidenhand. Hier kann uns niemand LESEN.« Da seufzte sie tief, fiel mir fast bewußtlos in den Arm, und ich wußte, daß dies von langem, angstvollem Atemanhalten herrührte.
    »Wie hast du diesen Weg herausgefunden?« flüsterte sie. »Wohin führt er?«
    »Das weiß ich nicht«, gestand ich.
    »Du bist ein Wandler«, sagte sie beinahe vorwurfsvoll. Es erinnerte mich an Yarrels Tonfall. »Du bist ein Wandler geworden wie deine Mutter.«
    »Du kennst sie?«
    »Himaggery hat es herausgefunden. Bevor wir uns auf die Suche nach dir machten. Er sagte, es sei nicht schlimm, wenn ich es wüßte, weil es Mandor auch bereits bekannt war. Wie hast du diesen Ort hier gefunden?«
    »Ich habe die Gestalt einer Person angenommen, die ich kannte. Mit der Gestalt kam die Erinnerung.«
    »Ah«, sagte sie. »Es ist also wie Heilen.«
    »Ja? Wahrscheinlich. Wie Heilen. Wie Lesen. Es ist, als ob mehrere Dinge geschähen, alle gleichzeitig.«
    »Wohin gehen wir nun?«
    Ich lachte, wünschte mir aber sofort, lieber zu weinen. »Seidenhand, ich weiß es nicht. Ich kenne diesen Ort überhaupt nicht, und ich weiß nicht, warum Huld ihn ein Versteck nannte oder Grimpt ihn kannte. Ich wußte bloß, daß wir fliehen mußten, und dieser Weg bot sich an. Es schien besser, als zu den Ausplauderern geschickt zu werden.«
    »Nun«, schlug sie vor, »wenn du es nicht weißt, müssen wir es eben herausfinden.«
    So liefen wir weiter. Wir brauchten keine Angst zu haben, uns zu verirren, denn unsere eigenen Fußspuren waren im Staub zurückzuverfolgen. Die Tatsache, daß der Staub sich hier lange Zeit so ungehindert anhäufen konnte, zeigte, daß diese Unterwelt nicht oft betreten wurde. Sie glich fast einem Labyrinth, voll verwinkelter Gänge mit Nischen, Seitengängen und Räumen. Nach langer, langer Zeit, während wir abwärts, hinauf und wieder abwärts gelaufen waren, mündete der Gang in eine weite Höhle, die mit Grabmälern gefüllt war, so vielen, daß es wie eine Stadt aus Grabmälern wirkte. Sie reichten vom Licht unserer Fackel bis zu einer weitentfernten erleuchteten Stelle, wo feurige Lichter schwach zu glimmen schienen, wie Fenster eines durch Kaminfeuer erhellten Raumes.
    »Ob wir uns unter den Mauern befinden?« fragte Seidenhand. »Wenn dies die Stätte ist, an der Bannerwell seine Toten zur letzten Ruhe bettet, muß es noch einen anderen Eingang geben, einen Eingang, der sich besser für Prozessionen eignet.«
    Sie hatte recht. Prunkvolle Begräbnisse erfordern einen pompösen Eingang, irgend etwas mit geschmiedeten Toren und breiten Korridoren. »Wenn wir diesen finden könnten«, flüsterte ich, »ist er wahrscheinlich gut bewacht. Und

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