Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
ich habe nicht das Gefühl, daß wir uns bereits außerhalb der Mauern befinden …«
    »Wie wolltest du uns denn herausschaffen?« Seidenhand lachte, als ich es ihr erzählte. »Abseilen? Nun, vielleicht wäre es ja gelungen. Ich fürchtete mich so sehr, daß ich sogar mein Leben riskiert und ein Seil hinuntergeklettert wäre. Warum hast du dich nicht in einen Waffenträger verwandelt und uns durch die Luft weggetragen?«
    Ich erklärte, daß ich es nicht getan hatte, weil ich es nicht konnte, und sie wurde sehr neugierig, platzte fast vor Fragen, während wir beide in dem Land der Grabmäler standen und die Fackel langsam herunterbrannte. Ich hätte Seidenhand am liebsten umarmt und ihr gleichzeitig eine Ohrfeige versetzt. Es war nicht der rechte Zeitpunkt für solches Geplapper, überhaupt nicht, doch ich konnte mich nicht entscheiden, es zu beenden. Wie oft im Leben, während ich zauderte und Seidenhand plapperte, nahm der Lauf der Dinge uns die Entscheidung ab. Ein dröhnendes Geräusch ertönte von der feuererleuchteten fernen Stelle, ein ohrenbetäubend hallender Ton wie ein Gongschlag, dann hörten wir Türangeln knarren. Eine der erleuchteten Öffnungen wurde größer, Fackeln tauchten darin auf.
    »Da habt Ihr Euren offiziellen Eingang«, sagte ich. »Sie kommen uns suchen.«
    »Und wir haben Fußspuren hinterlassen, die selbst ein Blinder sähe!«
    »Nein«, sagte ich. »Wir haben nichts hinterlassen. Dreht Euch um und schaut selbst!« Grimpts kleines Talent zum Portieren reichte aus. Der Staub stob in kleinen Fontänen hoch und setzte sich dann wieder, ebenmäßig wie ein Teppich. Wir drehten uns um und rannten fort, kleine Staubwolken hinter uns aufwirbelnd wie von den Fußtritten eines Geistes. Ich dachte an Geisterfiguren, den Tod, der uns umgab, und schauderte, froh darüber, daß ich in Bannerwell keinen Nekromanten gesehen hatte.
    »Versucht Euch zu merken, welche Seitengänge wir genommen haben«, keuchte ich. »Wenn sie verschwunden sind – falls sie überhaupt verschwinden –, versuchen wir, unseren Weg zurückzufinden.« Seidenhand sparte sich den Atem fürs Laufen, aber ich wußte, daß sie mich gehört hatte. Wir nahmen eine Abzweigung, liefen einen parallelen Weg zurück und dann in eine andere Halle hinein, eine kleinere Grabkammer, wo wir an einem Alkoven hinter einem steinernen Ehrengrabmal anhielten. »Wir müssen die Fackel löschen«, sagte ich. »Das Licht verrät uns sonst.«
    »Götter des Spiels«, seufzte Seidenhand. »Ich verabscheue Dunkelheit.«
    »Es ist nicht schlimm. Ich kann sie jederzeit wieder anfachen.« Ich segnete den Hellebardisten und war erneut froh, ihn nicht getötet zu haben. Seine Fähigkeiten reichten aus, um die Fackel anzuzünden, so daß ich es jederzeit auch tun konnte. Wir krochen in die uns verhüllende Dunkelheit. Niemand könnte uns durch den Stein hindurch LESEN oder mit den Augen entdecken, aber möglicherweise hatte man Fustigare auf unsere Spur gesetzt. Tatsächlich, wir hörten Kläffen, das lauter und leiser wurde, lauter und leiser. »In diesem Staub können sie unsere Spur nicht riechen«, sagte ich. »Unsere Fußspuren sind verwischt. Sie können uns nicht finden …«
    Ich hatte es zu früh beschworen. Das Kläffen kam näher, und wir warteten, die Glieder angespannt, um sofort loszurennen. Beim Aufstehen verfing sich die Kordel meines Beutels an einem Stein und zerriß. Einige der winzigen Spielfiguren fielen zu Boden. Blindlings tastete ich mit der Hand nach ihnen, die Finsternis verfluchend, und es gelang mir, eine nach der anderen wieder aufzusammeln. Eine der Figuren war dem Geräusch nach zur linken Seite gefallen, und ich fühlte nach ihr, fand sie schließlich und umklammerte sie fest, als plötzlich ein Lichtstrahl zum Eingang der Grabkammer fiel, hinter der sich unser Versteck befand. Die Figur in meiner Hand wurde warm, wärmer, heiß. Ich hätte sie beinahe fallengelassen, öffnete aber statt dessen meine Hand und fand darin den winzigen schwarzen Nekromanten, der wie ein kleiner Stern in meiner Handfläche glühte.
    Ich schloß die Hand wieder, um das Licht zu verbergen. Das Licht sprach zu mir. »Ich bin Dorn«, sagte es. »Erwecker der Toten, Herr über alle meine Nachkommen …« Ein Muster wurde sichtbar, komplex wie ein Wandteppich, verstrickt und verwoben, mächtig und verzweigt wie die Wurzeln und Äste eines riesigen Baumes. Das Muster wartete nicht ab, bis ich es LAS oder in mich aufnahm. Es floß in mich hinein und

Weitere Kostenlose Bücher