Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant
bloß diesen Hebel herunterdrücken, wenn wir sie brauchen. Alles andere ergibt sich von selbst.«
Ich spürte Hulds plötzliche Wut quer durch den Raum, die Hitze, die er ausströmte. »Dekan Manacle! Was passiert denn, wenn der Hebel heruntergedrückt wird? Wißt Ihr das?«
»Natürlich. Wir werden verteidigt, Huld. Sagte ich das nicht wieder und wieder? Wirklich, Huld, manchmal seid Ihr wirklich ermüdend.«
Didir und Dorn stießen mich tief in die Mauerecke, vielleicht um zu vermeiden, daß Huld mich berührte, als er hinausstürmte, von den anderen gefolgt, die sich mitleidig vollzwitscherten. »Spieler!« sagte Riß. »Sie haben einfach kein Benehmen.«
»Nachdem wir so höflich zu ihm waren! Nun denn! Er hat sich einfach geärgert, als er merkte, daß wir seine Warnungen nicht so sehr brauchten, wie er dachte. Ziemlicher Schlag für ihn. Ganz schön stolz, dieser Kerl. Naja, er wird es überleben.« Manacle, zufrieden bis oben hin mit seiner Sicht der Dinge.
Einen Augenblick später waren sie verschwunden. Didir ließ mich an die Oberfläche kommen, zerrte mich hoch, daß ich dachte, ein Vulkan explodiere in mir. Ich sah flackernde Lichter, fühlte elektrische Schläge, hörte ihre Stimme laut sagen: »Sie irren sich, Peter. Sie irren sich. So ist es nicht gewesen. Ich war dabei. Ich war damals dabei. Ich weiß, was geschah.« Fetzen ihrer Erinnerung rasten durch meine Gedanken.
Ein wirres Gebrabbel brach in mir aus. Dorn und Trandilar, Wafnors herzliche Stimme gedämpft durch wildes Durcheinandergerede, das nach Panik schmeckte, nach Wut, nach Angst. Schließlich Dorns Stimme, dunkel und schwer wie Samt. »Dreh die Schlüssel zurück, Peter. Dreh sie zurück und nimm sie an dich …« – nur um Didir sagen zu hören: »Nein! Man muß das in einer bestimmten Reihenfolge tun, einer bestimmten Reihenfolge, oder es geht los …«
Mir wurde so schwindlig und übel, daß ich am ganzen Leib zitterte, hin und hergestoßen von denen, die in mir wohnten, ohne Gleichgewicht und Richtung. Ich schrie innerlich: »Aufhören! Aufhören!« und das Gebrabbel ebbte ab. Dann kam Didirs Stimme, vibrierend wie eine straff gespannte Bogensehne, die Panik nur von ihrem uralten Willen unter Kontrolle gehalten. »Hast du gesehen, in welcher Reihenfolge die Schlüssel herumgedreht wurden, Peter? Hast du es beobachtet?« Worauf ich lachte. Sie selbst hatte mich die ganze Zeit tief unter der Oberfläche gehalten. Ich hatte kaum wahrgenommen, was an meine Ohren drang. Ich fühlte, wie die Sehne vibrierte, dong, dong, und sich dann entspannte. »Dann laß die Schlüssel in Ruhe. Kannst du die Tür zum Korridor zuschließen?« Sie schrillte mich an.
Ich konnte es und tat es auch, bevor sie in eine Kaskade feuriger Funken ausbrach, die jede Faser in mir schüttelte, jeden Nerv entlanglief, mich auf den Fußboden warf, wo ich zuckend wie irgend etwas Irrsinniges oder wie ein sterbendes Wesen liegenblieb, während ich erfuhr, welcher Art Didirs Wissen war. Wenn der Hebel in diesem stillen Raum hinter mir heruntergedrückt wurde, geschah etwas Schreckliches von ungeheurem Ausmaß – irgend etwas Endgültiges und Unwiderrufliches. Und Didir glaubte, daß es dem Ort widerfuhr, an dem wir uns befanden, den Gängen, Korridoren, Bergen, Höhlen, allen schwarzgekleideten Zauberkünstlern und ihren Dienern, ihren Monstern, ihren Maschinen und möglicherweise – möglicherweise der ganzen Welt.
11
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Der Ruf nach Zuhause
Zuckend wie ein frischgefangener weggeworfener Fisch lag ich auf dem Boden. Wenn irgend jemand vorbeigekommen wäre, hätte er mich in meiner eigenen Gestalt vorgefunden, nackt wie ein Ei und hilflos wie ein gerade geschlüpfter Vogel. Die Anwesenheit in mir, die Didir gewesen war, hatte sich in einen verstreuten Schauer funkelnder Halbgedanken und flüchtiger Erinnerungen verwandelt, Bilder ihrer selbst an verschiedenen Plätzen, Bilder von jemand Großem, Dunklem, den ich nicht kannte, Vorahnungen von Unheil, die mich so überwältigten, daß ich nur noch nach Luft schnappen und keinen Zusammenhang mehr erfassen konnte. Dann wurde es eine Zeitlang finster, wie lange, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, spürte ich den harten kalten Boden unter meiner feuchten Wange, wo ich in meinem eigenen Speichel lag.
Nach einer kleinen Weile faßte ich mich wieder mehr oder weniger und begriff, was passiert war – Panik. Trotz aller Verwirrung wunderte ich mich, wie eine der Spielfiguren von Barish Panik empfinden
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