Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant
konnte. Doch sie sind ja, sagte ich zu mir, mehr als nur ausgedacht. Sie besaßen Wirklichkeit, wenn sie auch meinen Kopf brauchten, um sie auszudrücken – einen Kopf, der noch immer von quälenden Kopfschmerzen gemartert wurde, Schmerzen, die allein ausgereicht hätten, mich in Panik zu versetzen und alle Plätze in meinem Kopf zuzusperren, die die Spielfiguren besetzt hatten. Didir war fort, ebenso Dorn, Trandilar, Shattnir und Wafnor. Mein Kopf fühlte sich leer an, hohl und hallend. Der Schmerz verschwand fast sofort, und ich lag an die Tür dieses schrecklichen Raumes gelehnt, ängstlich und ganz allein. Ich überlegte hysterisch, ob sie wohl zu mir zurückkommen würden, suchte nach Shattnir, weil sie die stärkste, am wenigsten verwundbarste von allen war. Nichts. Ihre Figur lag in meiner Hand wie eine Puppe, hölzern, etwas kalt. Nun, es war nicht die Zeit, weiter herumzuexperimentieren oder zu überlegen. Ich wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war. Ich mußte Mavin finden, und zwar schnell, um ihr zu erzählen, was geschehen war.
Dem fellbedeckten Peter wuchsen zwei große, grazile Ohren, ähnlich denen der Schattenmenschen, und er floh durch die Gänge, auf Bewegungen horchend. Jetzt war keine Didir mehr in mir, die mich warnen konnte, ich war den metallenen Korridoren hilflos preisgegeben. Prompt verirrte ich mich in dem Labyrinth, außerstande, Gedanken herauszufiltern, die mir helfen konnten, meinen Standort zu bestimmen, folgte diesen und dann wieder jenen, bis ich schließlich doch an einen mir bekannten Platz kam, wo der Raum sein mußte, in dem das Komitee sich getroffen hatte. Ich ging hin, in den Raum hinein – und stellte fest, daß er leer war. Mavin war nicht dort. Ob sie bereits dagewesen war, konnte ich nicht feststellen.
Dort blieb ich lange Zeit allein, lange genug, um hungrig zu werden und eine Stelle zu finden, in der Nahrung für die Langmänner gelagert wurde, Langmänner, die kamen und gingen, ohne etwas zu mir zu sagen, der ich ebenfalls die Gestalt eines Langmannes angenommen hatte und auch kam und ging. Das Essen war ohne jeden Geschmack, aber es nährte mich. Ich schlief eine Zeitlang. Dann durchmaß ich den Raum, betrachtete Bilder der Dekane von damals bis heute. Vielleicht bildete ich es mir ein, aber sie schienen nach jedem Zeitabschnitt etwas beschränkter auszusehen. Jemand in der Mitte dieser langen Zeitspanne wirkte bestimmt und kompetent – ein bißchen wie Himaggery. Ich dachte eine Weile darüber nach, ohne aber zu einem Schluß zu kommen. Dann bekam ich plötzlich Angst um Mavin. War sie gefangen worden? Getötet? War sie verletzt und lag irgendwo, in der Hoffnung, ich würde kommen und sie retten? Ich verfluchte die Panik, die Didir aus mir vertrieben hatte und versuchte, sie zurückzuholen. Nichts. Die kleine Figur lag in meiner Hand wie ein Stock. Nicht das geringste Zittern. Oder – ein kleines Zittern, aber sehr entfernt. Ich versuchte es noch einmal mit Shattnir. Ebenso nur ein ganz schwaches, fernes Prickeln. Ob es aber in mir selbst war oder von den Spielfiguren kam, konnte ich nicht sagen. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er von einem Blitzschlag getroffen worden. Vielleicht gab es Fasern, die vorübergehend getrennt, Synapsen, die durch einen Schock zur Ruhe gebracht werden konnten. Ich wartete ab. Ich lief umher. Ich kaute meine Fingernägel ab, ließ neue wachsen und kaute sie ebenso ab.
Ich war schon dabei, aufzugeben und allein weiterzusuchen, als sie kam, atemlos und erschöpft, dankbar für das Essen, das ich auf der Empore des staubigen Raumes für sie versteckt hatte.
»Götter des Spieles, Peter! Das war vielleicht ein Ausflug«, sagte sie, verfiel dann in ein langes Schweigen, während sie das fade Essen kaute, die Augen geschlossen, vor Müdigkeit schwankend. »Die Techniks wuselten die ganze Zeit herum und unterhielten sich. Das Gespräch drehte sich vor allem um Quench. Dieser alte Hitzkopf hat ihnen offenbar revolutionäre Ideen in den Kopf gesetzt, Aufstand gepredigt, neben all dem, was er sonst noch Seltsames tut. Die Techniks sind einfache Bauern, Peter, die hierhergebracht wurden, in Stiefel gesteckt und gezwungen, diesen Platz instandzuhalten. Einige von ihnen scheinen ziemlich schlau zu sein. Sie haben eine Menge gelernt, obwohl sie nicht die Möglichkeit hatten, genug zu lernen.« Sie schwankte, kaute, seufzte.
»Schließlich haben sie Himaggery und Windlow auf eine Art Karren geladen und ihn in einen Gang gefahren, wo er
Weitere Kostenlose Bücher