Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
Großvater brachte von dort einige Dinge hierher«, sagte ich.
»Meines Erachtens wäre es besser, wenn wir nicht immer um den heißen Brei herumredeten«, erwiderte Chance nachdenklich. »Hör auf, ›Dinge‹ zu sagen. Was hierhergebracht wurde, waren diese kleinen Spieler, die du gefunden und das kleine Buch, das du Windlow gegeben hast.«
»Ich habe es bei mir«, sagte ich. »Vielleicht brachte er aber noch mehr hierher.«
»Einerlei. Was verlorenging, waren die Spieler und das Buch. Hat dieser Rätsel sie wohl gestohlen?«
»Nein!« Ich war schockiert. »Nein. Er sollte sie behalten. Behalten, sicher aufbewahren – sie und die … Körper.«
Das Licht, das mich dann verschlang, schien die ganze Welt zu erhellen, aber es befand sich nur in meinem Kopf. Die Körper. Didirs Körper. Dort oben im Norden, auf sie wartend. Sie. Sie hatte ich in meiner Tasche, nicht einfach einen Blauen, nicht einfach eine Spielfigur, sondern eine Person, die wartete … auf Auferstehung? Erwachen? Tamor, dort oben im Norden. Tamor, der mein Leben mehr als einmal gerettet hatte. Und die leidende Dealpas. Und Trandilar. O Götter des Spieles! Trandilar! Üppig wie eine quellende Wolke und voll angestauter Energie, betörende, erotische Trandilar! Und Dorn. Dorn, der beinahe wie ein älterer Bruder in meinem Kopf war, dort im Norden, auf Erneuerung wartend.
Und während dieser Teil von mir dachte, ja, o ja, sie müssen gefunden und erweckt werden, sagte ein anderer Teil – nein. Nein. Sie gehören mir, mir. Meine Macht stammt von ihnen. Meine Talente. Ich werde sie nicht aufgeben. Und der erste Teil von mir zog sich zurück, als hätte eine Schlange in mir mich selbst gebissen, daß ich aufjapste und an der Übelkeit würgte, die mir die Kehle hochstieg. Ich kämpfte, während Chance mich schüttelte und energisch wissen wollte, was mit mir los war, was passiert sei. O Götter des Spiels, was war bloß mit mir los?
Dann irgendwie schaffte ich es, den Konflikt beiseitezuschieben, nicht mehr darüber nachzudenken.
Ich wußte, daß er vorhanden war, aber ich wollte nicht daran denken. Nicht jetzt.
»Rätsels Großvater hatte einen Bund mit Barish geschlossen«, keuchte ich. »Aber Barish verschwand, kam nicht mehr wieder. Also brachte Rätsels Großvater einige Dinge hierher – vielleicht in der Hoffnung, Barish zu finden. Vielleicht, um sie in Sicherheit zu bringen. Aber statt dessen kam die Katastrophe über Dindindaroo.«
Chance war nicht ganz einverstanden. »Der Bund kann nicht nur ausschließlich mit Rätsels Opa geschlossen worden sein.« Ich nickte. Wahrscheinlich nicht. Der Bund mußte mit den Unveränderlichen geschlossen worden sein, Vater auf Sohn auf Enkel, Generation um Generation. Chance fuhr fort. »Wie lange liegen die Körper dort?«
Ich war ängstlich darauf bedacht, nicht nachzudenken, als ich antwortete: »Tausend Jahre, mehr oder weniger. Und frag mich jetzt nicht, wie Barish überlebte oder während dieser Zeitspanne kam und ging, denn ich weiß es nicht. Es bringt nichts, darüber nachzudenken.«
»Also wonach sucht unser Rätsel jetzt? Was will er?«
»Pflicht«, erwiderte ich. »Der Bund. Der Kontrakt. Das Versprechen, das seine Vorfahren Barish gegeben haben. O Chance, ich weiß nicht … Ich kann mir Rätsel einfach nicht anders als ehrenhaft vorstellen. Es ist zu verwirrend.«
»Na, na, kein Grund, jetzt deshalb so einen Aufstand zu machen«, sagte er und warf mir einen langen prüfenden Blick zu. »Was immer wir auch nicht wissen, wir wissen jedenfalls mehr als vorher.«
»Nicht genug«, jammerte ich und dachte an die unzähligen Fragen, die ich dem Geist hätte stellen können. Ich konnte ihn nicht noch einmal rufen. Hätte es auch nicht getan. Jemand hatte ihm Absolution erteilt, und diese würde ich nicht zurücknehmen wollen. Ich fühlte, wie mir Tränen über die Wangen liefen.
»Vielleicht nicht genug«, stimmte Chance bei. »Aber jedenfalls mehr.« Er entfachte ein Feuer und gab uns heiße Suppe, dann etwas Wein, und erzählte eine schier endlose Geschichte über die Jagd nach einem Seeungeheuer, während der ich einschlief. Als ich morgens erwachte, war ich imstande, über die mich verstörende Angelegenheit nicht weiter nachzudenken, und der Tag war scharf umrissen genug, um darin zu leben.
4
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Die Große Straße nach Norden
Ich erzählte Chance von dem Sänger, der Seidenhand und mir in Xammer das Lied vom Wind gesungen hatte. Ein bloßes Lied schien ein unvernünftiger
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